Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
Bruders begegneten, benahm ich mich ein wenig ungeschickt. Ich wollte Ihnen das hier vorbeibringen.« Ich reichte ihm den Wein.
»Oh, vielen Dank. Hoffentlich habe ich an dem Abend nicht irgendetwas aufgewirbelt.«
Oh doch, Freundchen, du hast ja keine Ahnung, hätte ich gern gesagt. Fast ließ ich mich zu einem manischen Lachen hinreißen. »Überhaupt nicht. Gut, ich wusste zwar nicht, was mit dem Jungen der Dentmans passiert ist, aber Adam erklärte es mir. Ist schon okay. Es ist nichts weiter passiert.«
»Bitte, kommen Sie rein.« Ira trat zur Seite und hielt mir die Tür auf.
Ich stampfte mit den Füßen auf, schüttelte den Schnee ab und ging hinein. Ira schloss die Tür hinter mir.
Die Einrichtung erinnerte an ein Museum. An den Wänden hingen riesige Lithografien von Gebäuden aus dem alten Rom und mediterranen Grotten, zur See fahrenden Schiffen und zahllosen Szenen aus Landschaften in Europa, die kostspielig in ihren Messingrahmen wirkten. Die ganzen Möbel sahen ausnahmslos neu oder unberührt aus, wie auf Fotos in einem Katalog. Der Orientteppich war dick wie eine Matratze, resistent gegen Abdrücke von Schuhen, wenn man darüber lief. Ich schaute von der hübsch ummauerten Feuerstelle hin zu Bücherregalen hinter Glas, auf denen zahlreiche in Leder gebundene Bücher standen. Ihre Rücken reihten sich makellos aneinander. Es roch nach Mahagoni, gespitzten Bleistiften und erinnerte an den Geruch alter Zigarren wie im Versammlungssaal einer traditionsreichen Bruderschaft.
So sieht es nur bei Leuten aus, die keine Kinder haben, sagte mir eine Stimme aus dem Hinterkopf, die sehr deutlich nach Jodie klang.
»Wow«, sagte ich. »Schön haben Sie es hier.«
Ein weißer Malteser, der vor dem Kamin auf einem Polsterhocker aus Satin saß, hob den Kopf und musterte mich mit triefenden schwarzen Augen. Im Hintergrund kratzte und ächzte ein alter Victor-Victrola-Plattenspieler, als eine Orchesternummer endete und eine andere anfing.
Ira begab sich an einen prachtvoll gefertigten Getränkeschrank, neben dem gläserne Schiebetüren auf die Terrasse hinterm Haus führten. Nachdem er den Pinot geöffnet hatte, füllte er zwei Gläser mit der blutroten Flüssigkeit. Eines überreichte er mir, dann bot er mir einen Platz auf dem mit Knöpfen aus Messing bestückten Fauteuil. Er ließ sich mir gegenüber in einem ähnlichen Sessel vor dem Feuer nieder.
Der Malteser beäugte mich nach wie vor. Wie ein flauschig weißer Pascha sah er aus, während er die Augenbrauen mehrmals hochzog und wieder entspannte.
Nancys Stimme hallte durch den Flur. Sie rief den Namen ihres Gatten.
»Wir sind hier.«
Sie erschien in der Tür, noch genauso fragil, wie ich sie von der Weihnachtsparty her in Erinnerung hatte. Über der braunen Cordhose trug sie einen Pullover, der dem ihres Mannes aufs Haar glich. Der Malteser fing zu winseln an, woraufhin sie ihm husch zuraunte, und er solle ein braver kleiner Fauntleroy sein, husch jetzt, husch.
»Du erinnerst dich bestimmt noch an Mr. Glasgow von nebenan, Liebes?«
Nancy nickte mir distanziert und ohne Lächeln zu. Ich bemerkte Audubon-Kunstdrucke hinter ihr an der Wand. »Mr. Glasgow.«
»Bitte«, sagte ich, »nennen Sie mich Travis.«
»Ich lernte Ihre Frau auf der Weihnachtsparty kennen. Eine reizende Frau.«
»Ja, ist sie, und ich halte sie gehörig auf Trab.« Natürlich war das ein Witz, doch Nancy schien keinen Sinn für Humor zu besitzen.
»Er hat uns Wein mitgebracht«, ließ Ira sie wissen, was sich so ungewöhnlich leutselig anhörte, dass ich es auf möglichen Alkoholismus zurückführte. »Ich könnte dir ein Glas einschenken.«
»Nicht vor dem Abendessen«, sagte sie förmlich. »Ich lasse euch Männer mal allein.« Damit drehte sie sich um und ging den Flur hinunter.
»Ahhh«, seufzte Ira, mit dem Kopf gegen die Rückenlehne lehnend, während der Plattenspieler zum nächsten Stück überging. Ich war mir nicht sicher, aber es klang wie eine Nummer von Duke Ellington. »Wunderbare Musik, was?«
Ich schaute zur Terrassentür hinaus, wo die gefrorene Oberfläche des Sees zwischen den kahlen Zweigen der Bäume schimmerte. An der Wand neben der Scheibe hing eine große Kanadagans, die die Schwingen ausgebreitet hatte und so aussah, als fliege sie aus dem Holzschild, an dem sie befestigt war.
Ira dachte wohl, dass ich die Gans bewunderte, weil er fragte: »Gehen Sie jagen?«
»Nicht wirklich.« Dabei dachte ich an die toten Vögel, die ich im vergangenen Monat in dem
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