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Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Malfi
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vertreiben.«
    »Haben Sie auch etwas an diesem Tag mitbekommen, Ira?«
    »Da es ein Werktag war, hielt ich am College Nachmittagsunterricht.«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »Der Unterricht endete gegen fünfzehn nach sechs. Für gewöhnlich ging ich danach ins Büro, um meine Sachen zusammenzupacken, bevor ich aufbrach.« Er dachte kurz nach und fuhr fort: »Wahrscheinlich kam ich um etwa sieben nach Hause zurück.«
    Nachdem ich das verinnerlicht hatte, wandte ich mich wieder Nancy zu. »War er allein, als sie ihn auf dem See sahen?«
    »Ja.« Sie sprach jetzt leiser, als stünde sie kurz davor, ein übles Gerücht in die Welt zu setzen. »Keines der anderen Kinder wollte mit ihm spielen.«
    »Weshalb?«
    Zum ersten Mal seit Beginn unserer Konversation schwiegen die Steins geschlossen. Nancy starrte in ihre Tasse, die nicht mehr dampfte. Ich rechnete vorübergehend damit, dass sie sich gleich wieder in die Küche flüchtete.
    Schlussendlich sagte Ira. »Nur zu. Erzähl ihm von dem Hund.«
    »Chamberlain war nicht bloß ein Hund «, wies ihn Nancy scharf zurecht. Sie klang aufrichtig verletzt.
    »Wir hatten einmal zwei dieser Püppchen«, erklärte Ira, indem er mit einem Pantoffel auf Fauntleroy zeigte. (Der Hund musste wohl die Geringschätzung bemerkt haben, da er unterschwellig knurrte.) »Chamberlain bekam vor etwa zwei Jahren Krebs und starb im vergangenen Frühling.«
    »Die Behandlung schlug nicht an«, bedauerte Nancy.
    »Der Doc empfahl uns Tabletten, die wir, als die Zeit gekommen war, unter sein Futter mengten. Er schlief sanft ein.«
    »Und schmerzlos«, ergänzte sie.
    »Am Morgen darauf fand ich ihn tot dort drüben.« Ira zeigte auf einen rechteckigen Lichtfleck am Fußboden vor der Terrassentür. »Gut möglich, dass er in der Sonne sterben wollte.«
    Nancy schniefte. Ich brachte es nicht zustande, sie anzusehen.
    »Ich nahm ihn mit in den Wald und begrub ihn auf halbem Weg den Hang hinunter, kurz bevor der Boden zu felsig wird. Gut eine Stunde dauerte es; man unterschätzt die Größe eines Hundes, wenn man ihn unter die Erde bringen muss. Als ich müde und verschwitzt aufschaute, sah ich den kleinen Dentman zwischen den Bäumen. Er beobachtete mich aus einer Entfernung von etwa zwanzig Schritten. Ich dachte mir nichts dabei, bis ich ein paar Tage später wieder dort vorbeikam. Ich wollte zum Angeln an den See gehen und fand das Loch aufgegraben vor, und der Kadaver des Hundes fehlte.«
    »Gott, sei ihm gnädig«, flüsterte Nancy. Sie ließ sich sogar dazu hinreißen, sich zu bekreuzigen.
    Die Schallplatte gegenüber im Zimmer war zu Ende, man hörte nur noch die Nadel in der Endrille schleifen.
    »Moment«, lenkte ich ein. »Wollen Sie damit andeuten, Elijah Dentman habe Ihren toten Hund ausgegraben und sich mit ihm davongemacht?«
    »Ich behaupte nur,«, wiederholte Ira gereizt, »dass er der einzige Mensch gewesen ist, der wusste, wo ich den Hund bestattet habe. Wenige Tage später war das Grab offen, und von Chamberlain fehlte jede Spur. Jetzt dürfen Sie zwei und zwei zusammenzählen.«
    »Aber … wieso?« Andere Worte fand ich nicht. Diese neue Einzelheit hatte mich kalt erwischt, auch nach den toten Vögeln, die mir im Vormonat in dem Geheimversteck zugefallen waren.
    »Wer weiß?«, sagte Ira. »Erklären Sie es mir.«
    »Das ist ein morbides Gespräch«, bemerkte Nancy im Umdrehen. Sie eilte in die Küche, wobei ich glaubte, sie schluchzen zu hören, sobald sie außer Sicht war.
    »Was hat all dies überhaupt mit der Geschichte von Westlake zu tun?« Offenbar hatte Ira zu wenig Wein getrunken, um den seltsamen Verlauf unseres Gesprächs nicht zu hinterfragen.
    Wie um mir keine Blöße zu geben, widmete ich mich wieder dem Fotoalbum und sah einige Seiten durch. »Wir haben uns wohl ein bisschen verrannt – sind vom Thema abgeschweift, nicht wahr?«
    Ira stand auf, um eine andere Platte aufzulegen.
    Ich blätterte weiter, ohne wirklich auf die Motive zu achten. Es bereitete mir Schwierigkeiten, alles zu verdauen, was mir gerade unterbreitet worden war. Stimmte es tatsächlich? Hatte Elijah den toten Hund der Steins ausgebuddelt, und falls ja – zu welchem Zweck?
    Mit welchen Motiven darfst du bei einem verstörten kleinen Jungen rechnen?, fragte die Stimme des Therapeuten in mir. Erneut fielen mir die Küken ein, die ich in einer Mischung aus Wut und Verwirrung nach Kyles Tod zerquetscht hatte. Die Welt konnte ein gemeiner, verletzender Ort sein.
    Ira wählte Billie Holiday und

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