Die Treue des Highlanders (German Edition)
etwas antun. Wenn er Derartiges im Sinn gehabt hätte, hätte er in der letzten Nacht ausreichend Gelegenheit dazu gehabt. Aber trotzdem, sein Geist war gestört, und Anna fühlte sich sicherer, wenn sie ausschloss, dass er plötzlich mitten in der Nacht in ihrem Zimmer stehen konnte. Rasch zog sie sich aus, schlüpfte in ihr Nachthemd, und kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, war sie auch schon eingeschlafen.
Schüsse! Einmal, zweimal, dann ein Schrei!
Wie von der Tarantel gestochen, fuhr Anna in die Höhe. Nein, das war kein Traum, laute Pistolen- oder Revolverschüsse peitschten durch das Haus. Anna kannte die Geräusche vom Set, seit sie bei einem Krimi mitgespielt hatte.
»Duncan!«, schrie sie, sprang aus dem Bett, rannte auf den Flur, riss die Tür zu seinem Zimmer auf und knipste das Licht an. Er war nicht da. Dann knallten wieder Schüsse, und ein Mann schrie. Es kam von unten. Die Sorge um Duncan ließ Anna alle Angst vergessen, und sie stürzte die Treppe hinunter. Dann sah sie Duncan und erkannte die Ursache der wilden Schießerei: Er saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher, auf dessen Bildschirm ein Wildwestfilm lief. Cowboys wurden von einer Horde Indianer mit Kriegsbemalung verfolgt. Zitternd lehnte sich Anna gegen den Türrahmen. Irgendwie musste Duncan die Fernbedienung gefunden und das Gerät eingeschaltet haben. Jetzt untersuchte er intensiv die Rückseite des Fernsehers, und als er versuchte, die Abdeckung zu öffnen, schaltete Anna das Licht an.
»Was machen Sie hier? Lassen Sie die Finger von dem Gerät, oder wollen Sie einen Stromschlag bekommen?«
Duncans Kopf fuhr zu ihr herum, in seinen Augen lag wieder die Verwunderung, die Anna in den letzten Stunden häufig gesehen hatte. »Wie kommen die Menschen in den kleinen Kasten? Und die Pferde? Und was sind das für Kreaturen?« Sein Zeigefinger tippte auf die Indianer, die im Bild zu sehen waren. »Diese Leute haben Pferde, und sie reiten recht gut, fast so gut wie ich.«
»Das ist ein Film, Duncan«, sagte Anna sanft. Ihre Erleichterung, dass die Schüsse nur aus dem Fernseher stammten, ließ sie allen Ärger über sein seltsames Verhalten vergessen. Sanft zog sie Duncan ein Stück von dem Apparat fort.
»Was ist ein Film?«
Seine Naivität ließ sie lächeln. »Das ist wie ein Theaterstück, nur spielt ein Film nicht auf einer Bühne, sondern überall auf der Welt. Die Menschen hier sind Schauspieler, genau wie ich eine Schauspielerin bin, und sie schießen nicht richtig, sondern nur mit Platzpatronen.«
»Und wie kommen sie in den Kasten?«
»Ich kann es Ihnen nicht erklären, Duncan, das ist technisch sehr kompliziert, aber es ist etwas völlig Normales.« Anna griff nach der Fernbedienung und schaltete auf ein anderes Programm, in dem die Aufzeichnung eines Fußballspieles lief. »Sehen Sie, im Fernsehen kommen viele verschiedene Beiträge aus der ganzen Welt.« Sie schaltete weiter, und plötzlich landete sie auf einem Sender, wo sich halb nackte Frauen auf roten Sofas räkelten und »Ruf mich an!« in die Kamera hauchten. Bevor sie weiterschalten konnte, nahm ihr Duncan die Fernbedienung aus der Hand.
»Das ist faszinierend!« Wie gebannt starrte er auf die schwarzhaarige, üppige Schönheit mit den riesigen Brüsten, und wieder strichen seine Finger über den Bildschirm.
»Es ist mir klar, dass Ihnen
das
gefällt«, zischte Anna. »Aber das ist Nepp, wenn Sie die Nummer anrufen, dann werden Sie nur abgezockt.«
Sie nahm ihm die Fernbedienung weg und schaltete durch die weiteren Programme, bis sie wieder bei dem Western angekommen war. Zwischenzeitlich hatten die Indianer drei Cowboys gefangen genommen und waren gerade dabei, diese an die Marterpfähle zu fesseln.
»Was haben die Männer getan, dass sie getötet werden sollen?«, fragte Duncan.
»Es ist nur ein Film, Duncan. Eine fiktive Welt, nichts Reales.«
»Ihr meint, die Männer mit dem komischen Kopfschmuck und den Farben im Gesicht werden den anderen nichts tun?«
»Nein, Duncan, das sind alles nur Leute, die etwas vorgeben. Sie kennen doch Schauspieler, nicht wahr? Die muss es doch auch in Ihrer Zeit geben.« Du meine Güte, jetzt höre ich mich ja an, als glaubte ich, dass er aus der Vergangenheit kommt, dachte Anna.
»Natürlich hat die Königin ein eigenes kleines Theater«, nickte Duncan. »Wobei dieser calvinistische John Knox alles dafür tut, um solche Dinge auszurotten. Nach Glenmalloch Castle kommen manchmal fahrende Sänger und Musiker, die oft den ganzen Winter bei
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