Die Treue Des Highlanders
verstanden?«
Duncan verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie beleidigt an. »Obwohl es mir widerstrebt, den Anweisungen eines Weibes Folge zu leisten, und mir eine weitere Fahrt in einem solchen ... Wagen nicht ganz geheuer ist, sehe ich im Augenblick keine andere Möglichkeit, als mich auf Eure seltsamen Vorschläge einzulassen. Habt Ihr noch etwas zu essen?«
Anna grinste, während sie den Kühlschrank öffnete und die Pastete, die sie sich eigentlich zum Abendessen hatte aufwärmen wollen, herausholte. Duncan zuckte in bewährter Manier zusammen, als er beobachtete, wie Anna die Pastete in die Mikrowelle schob und nur nach zwei Minuten heiß und dampfend vor ihn hinstellte.
»Das ist wahrlich eine seltsame Zeit. Vielleicht kann ich dieses Ding da ...«, er zeigte auf die Mikrowelle, »... in meine Zeit mitnehmen? Meine Mutter wäre darüber begeistert, in wenigen Augenblicken ein warmes Essen zu zaubern.«
»Es gibt da nur das Problem, dass in
Ihrer
Zeit die Elektrizität noch nicht erfunden ist.«
»Elekzi ... was?«
»Ach, ist egal. Ich gehe jetzt duschen und bin in zehn Minuten zurück.«
Duncan biss herzhaft in den warmen Blätterteig, und Anna eilte nach oben ins Bad. Automatisch verriegelte sie die Tür hinter sich, bevor sie sich auszog und unter den heißen Wasserstrahl stellte. Wie gut das tat! Sie schloss die Augen und genoss das warme Wasser auf ihrer Haut. Was tat sie hier eigentlich? In den letzten Stunden hatte sie mehr Widersprüchlichkeiten als je zuvor in ihrem Leben erlebt. Obwohl Duncan allein schon durch seine Körpergröße und Stärke und wegen seines struppigen Bartes eine Erscheinung war, die einem leicht Furcht einflößen konnte, hatte Anna keine Angst mehr vor ihm. Auf der einen Seite war er wie ein großer, brummiger Bär, jederzeit zum Angriff bereit, dann aber wirkte er wie ein kleines Kind, das sich im Wald verlaufen hatte. Anna hatte von geistig Kranken gehört, die tatsächlich glaubten, eine andere Person zu sein, Napoleon Bonaparte zum Beispiel. Sie lebten diese Rolle bis ins kleinste Detail, wirkten dabei aber so natürlich, dass ihre Krankheit auf den ersten Blick nicht zu erkennen war.
Während sich Anna mit dem flauschigen Handtuch, das nach Rosen- und Orangenblüten duftete, die Haare trockenrubbelte, erinnerte sie sich, vor einigen Tagen bei einem Spaziergang das Schild einer Arztpraxis am anderen Ende des Dorfes gesehen zu haben. Wenn Duncan aus der Gegend stammte, dann wäre er dem Landarzt sicher bekannt, und er würde dafür sorgen, dass Duncan wieder nach Hause zu seiner Familie käme. War Duncan aus einer psychiatrischen Klinik entflohen, so würde man ihr in der Praxis bestimmt sagen können, wo sich die nächste derartige Klinik befand.
Als Anna nach nur acht Minuten in die Küche zurückkehrte, saß Duncan schlafend im Stuhl. Sein Kinn war auf die Brust gesunken, die Lippen leicht geöffnet, und er atmete ruhig und tief. Da war es wieder, das Gefühl von Mitleid, gegen das sich Anna nicht wehren konnte. Sie holte aus dem Wohnzimmer eine Wolldecke und breitete sie vorsichtig über Duncans Oberkörper und Beine, ohne ihn aufzuwecken. Ihre eigene Müdigkeit war nach der Dusche verflogen, außerdem war sie gespannt, was sie über den seltsamen Fremden herausfinden würde.
Doktor Allan Stewart, praktischer Arzt
stand auf dem Schild an der Glastür, die Anna nach kurzem Klopfen öffnete. Sie betrat einen kleinen Empfangsraum und wurde von einer älteren Frau in einem weißen Kittel freundlich begrüßt:
»Einen schönen Tag, aber es tut mir Leid, ich wollte gerade Mittagspause machen. Mein Mann ist bei einem Hausbesuch. Wir haben ab drei Uhr wieder Sprechstunde, wenn Sie dann vielleicht wiederkommen möchten? Oder handelt es sich um einen Notfall?«
Anna schüttelte den Kopf. »Guten Tag, Mrs. Stewart. Nein, es ist kein Notfall, jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Es geht auch gar nicht um mich, sondern um einen ... Freund.«
»Was fehlt ihm?«, fragte die Arztfrau. »Wenn es dringend ist, kann ich meinen Mann über sein Handy erreichen.«
»Ich wollte nur fragen, ob Sie einen Duncan Cruachan kennen. Vielleicht ist er ein Patient von Ihnen?«
Mrs. Stewart zog den Kittel aus und hängte ihn an einen Haken hinter der Tür, dann schlüpfte sie in einen dunklen Blazer und ging zur Tür. Es blieb Anna nichts anderes übrig, als ihr nach draußen zu folgen. Während die Arztfrau die Tür zur Praxis sorgfältig verschloss, sagte sie kühl: »Wir geben
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