Die Treue Des Highlanders
nicht in die Nähe des Sees. Das ist auch der Sinn und Zweck dieser Geschichte. Der Glen-Mal-Loch ist zwar nicht sehr tief, aber eiskalt, und es sollen Strömungen in dem See herrschen, darum ist es lebensgefährlich, dort zu baden. Um die Kinder davon abzuhalten, erzählt man ihnen, der See sei verwunschen, und sie verschwänden auf Nimmerwiedersehen, wenn sie mit dem Wasser in Berührung kämen.«
»Dann glauben Sie nicht an die Legende?«
Nachdenklich fuhr sich Duncan mit einer Hand durch seinen dichten Bart. »Ich habe bisher nicht daran geglaubt. Jetzt aber ...« Er stockte und sah Anna ernst in die Augen. »Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich damit abzufinden, über vierhundert Jahre in die Zukunft gereist zu sein. Zuerst dachte ich, Ihr habt einen Zauber über mich gelegt, aber inzwischen habe ich so viel gesehen, dass ich nicht mehr an Eure Hexenkünste glaube. Kein Zauberer und keine Hexe kann eine ganze Welt dermaßen verändern.«
»Es freut mich, dass Sie mich nicht mehr für eine Hexe halten.« Anna rührte nachdenklich in ihrem Kaffee, obwohl sie weder Milch noch Zucker hineingetan hatte. Armer Kerl, dachte sie erneut, dabei hat er wirklich ein großes künstlerisches Potenzial und könnte leicht als Schauspieler, Erzähler oder sogar Schriftsteller arbeiten.
»Ihr seht also, Mistress Anna, dass ich so schnell wie möglich wieder zu dem See muss, um in meine Zeit zurückzukehren. Vorher müsst Ihr mir aber alles erzählen, was mit meiner Königin geschehen ist.«
»Du meine Güte, ich bin doch keine Historikerin!«, rief Anna. »Alles, was ich weiß, habe ich Ihnen gesagt.«
Duncan gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. »Dann müssen wir jemanden finden, der uns mehr sagen kann.«
Plötzlich kam Anna ein Gedanke. »Bücher! Ja, natürlich! Es gibt gerade hier in Schottland sicher Hunderte von Büchern zu dem Thema.«
»Ihr meint, wir können ein Kloster aufsuchen und in den Büchern nachschauen?«
»Ein Kloster?«, fragte Anna verwundert. »Was sollen wir in einem Kloster? Ich denke, Sie wollen die Geschichte nachlesen und nicht beten.«
»Ihr spracht von Büchern. Die Mönche haben doch die Bücher in ihren Klöstern.«
Anna schüttelte lächelnd den Kopf. »Schon längst nicht mehr. Heute kann jeder Mensch so viele Bücher kaufen und selbst besitzen, wie er möchte. Außerdem weiß ich gar nicht, ob es hier irgendwo ein Kloster gibt. In der Reformation wurden alle geschlossen und die meisten zerstört.«
»Ja, in England unter dem grausamen König Heinrich dem Achten«, brauste Duncan auf. »Aber wir in Schottland sind ein gottesfürchtiges Volk, das nicht den ketzerischen Gedanken des Bastards auf dem englischen Thron verfallen ist. Auch wenn obskure Gestalten wie dieser John Knox versuchen, den wahren Glauben in Schottland auszurotten.«
»Womit er schlussendlich Erfolg hatte«, erinnerte sich Anna, nichts ahnend, was ihre Worte bei Duncan auslösten.
Er stand so heftig auf, dass sein Stuhl polternd zu Boden fiel. »Was sagt Ihr da? Schottland bekannte sich zum Ketzertum?«
»So sieht man die Sache heute nicht mehr, Duncan«, versuchte Anna ihn zu beruhigen. »Als Maria Stuarts Sohn James König von England wurde und damit die beiden Länder vereinigt wurden, gab es nur noch einen Glauben. Und später dann, nach den Jakobitenaufständen, änderte sich sowieso alles.«
»Jakobitenaufstände?«
Anna erhob sich seufzend. »Ich sagte bereits, dass ich kaum etwas davon weiß. Geschichte war das Schulfach, vor dem ich mich am liebsten gedrückt habe. Aber wir werden in eine Bibliothek fahren, dort können Sie alles nachlesen, was Sie interessiert. Ich denke, in Inverness werden wir fündig werden.«
»Ach ja, und wie kommen wir nach Inverness? Selbst wenn wir Pferde hätten, wäre es ein strammer Ritt von gut zwei Tagen.«
»Ich werde versuchen, einen Wagen zu leihen«, antwortete Anna, deren Geduld langsam, aber sicher zu Ende ging. Dieser Typ war wirklich gut, zwar vollkommen irre, aber das in Perfektion! Seine Krankheit musste sehr schlimm sein, denn niemand konnte sich über so viele Stunden derart verstellen. »Am Dorfrand ist eine Tankstelle, ich werde dort nachfragen.«
»Ihr meint, Ihr möchtet Euch so eine schnelle pferdelose Kutsche borgen?«
»Ja, genau. Ich werde Sie für eine Stunde allein lassen müssen. Vielleicht möchten Sie nun doch ein Bad nehmen? Ich spring nur schnell unter die Dusche. Sie bleiben hier sitzen und rühren sich nicht von der Stelle. Haben Sie
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