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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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zusammenkrampfte. Als sie sie sinken ließ, waren die Knöchel ganz weiß. Sie schien sprechen zu wollen, blieb aber stumm.
    »Was kann ich denn tun«, fragte ich, »außer alles etwas hinauszögern?«
    Sie biss sich auf die Lippe. Dann sagte sie: »Sind Sie vielleicht einsam? Ich dachte, vielleicht … wenn …« – ihre Stimme flatterte, und ihre Fingerknöchel wurden noch weißer –, »… wenn Sie jemanden hätten … ich meine, jemanden hier … dann würden Sie uns vielleicht nicht verlassen. Vielleicht würden Sie bei uns bleiben.«
    »O Gott«, sagte ich leise.
    Ich sah sie an, wie sie dastand, mit leicht zitternden Lippen. Sie hätte jede Menge Verehrer haben sollen, die jedem Lächeln applaudierten. Sie hätte noch lange glücklich und sorglos leben sollen, und später glücklich in der Sorge für eine Familie. Das Leben sollte eine Freude für sie sein und die Liebe süß …
    »Sie werden gut zu mir sein, ja?«, sagte sie. »Wissen Sie, ich habe noch nie …«
    »Still! Seien Sie still!«, beschwor ich sie. »Bitte erzählen Sie mir nicht so etwas. Bitte, gehen Sie nun.«
    Aber sie ging nicht. Sie starrte mich mit ihren blinden Augen an.
    »Gehen Sie!«, wiederholte ich.
    Ich konnte den Vorwurf in ihrem Gesicht nicht ertragen. Es war ja nicht nur sie, es waren Tausende von zerstörten jungen Leben …
    Sie kam näher.
    »Ich glaube, Sie weinen ja!«
    »Gehen Sie. Um Himmels willen, gehen Sie!«, sagte ich.
    Sie zögerte, drehte sich um und tappte zur Tür zurück.
    »Ich bleibe«, rief ich ihr nach, als sie hinausging. »Sagen Sie es den anderen.«
    Das Erste, was mir am nächsten Morgen auffiel, war der Geruch. Er hatte sich auch früher von Zeit zu Zeit bemerkbar gemacht, zum Glück war das Wetter kühl geblieben. Diesmal hatte ich weit in einen schon etwas wärmeren Tag hineingeschlafen. Ich will auf diesen Geruch nicht näher eingehen; die ihn gekannt haben, werden ihn nie vergessen, für die anderen lässt er sich nicht beschreiben. Wochen hindurch stieg er aus jeder Stadt und aus jedem Ort und war in jedem Lufthauch zu spüren. An jenem Morgen brachte er mir die Überzeugung, dass das Ende da war. Nicht der Tod, die Verwesung setzt den Schlusspunkt.
    Ich blieb liegen und überlegte. Nun blieb nur noch das eine: meine Leute auf Lastwagen zu verladen und in einzelnen Gruppen aufs Land zu transportieren. Und all die Vorräte, die wir aufgehäuft hatten? Auch sie mussten verladen und weggeschafft werden – und ich war der Einzige, der fahren konnte … Es würde Tage dauern – falls wir noch Tage hatten …
    Dann horchte ich. Das ganze Gebäude war so seltsam still. Ich vernahm nur ein Ächzen in einem benachbarten Zimmer, sonst nichts. Ich stieg aus dem Bett und kleidete mich eilends an. Draußen auf dem Treppenabsatz horchte ich nochmals. Kein Schritt war im Haus zu hören. Plötzlich hatte ich das schreckliche Gefühl, als wiederholte sich alles und ich wäre wieder im Hospital.
    »Heda! Ist da niemand?«, rief ich.
    Einige Stimmen antworteten. Ich öffnete eine nahe Tür. Da drinnen war ein Mann. In bedenklichem Zustand. Er lag im Delirium. Hier konnte ich nichts tun. Ich schloss die Tür wieder.
    Meine Schritte klangen laut auf der Holztreppe. Im nächsten Stock rief eine Stimme: »Bill – Bill!« Die Stimme einer Frau.
    Sie lag in einem kleinen Zimmer im Bett; es war das Mädchen, das mich gestern Abend aufgesucht hatte. Sie wandte den Kopf, als ich eintrat. Ich sah, es hatte auch sie erwischt.
    »Kommen Sie nicht zu nahe«, sagte sie. »Sie sind es doch, Bill?«
    »Ja.«
    »Ich dachte es mir. Sie können noch gehen; die anderen müssen schleichen. Ich bin froh, Bill. Ich habe den anderen gesagt, Sie würden uns nicht im Stich lassen – aber sie behaupteten, Sie seien weg. Nun sind alle gegangen, alle, die gehen konnten.«
    »Ich habe geschlafen«, sagte ich. »Was ist denn passiert?«
    »Es hat immer mehr von uns erwischt. Sie hatten Angst.«
    Ich sagte hilflos: »Kann ich etwas für Sie tun? Etwas bringen?«
    Ihr Gesicht verzerrte sich, sie schlug die Arme um den Leib und krümmte sich. Der Anfall ging vorüber, Schweiß sickerte über ihre Stirn.
    »Bitte, Bill. Ich bin nicht sehr tapfer. Bringen Sie mir etwas – damit es schneller geht?«
    »Ja«, sagte ich. »Das kann ich für Sie tun.«
    In zehn Minuten war ich von der Apotheke zurück. Ich reichte Ihr ein Glas Wasser und drückte ihr das Mitgebrachte in die andere Hand. Sie hielt es eine Weile. Dann: »So sinnlos – und alles hätte

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