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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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mich nun wiederum nichts weiter als Gegenstände meines früheren beruflichen Interesses.
    Kurz vor Devizes machten wir nochmals halt, um unsere Karte zurate zu ziehen. Ein Stück weiter bogen wir rechts in eine Nebenstraße ab und fuhren in das Dorf Tynsham.

10 Tynsham
    10
    Tynsham
    Tynsham Manor war kaum zu verfehlen. Gleich hinter den paar Bauernhäusern, die das Dorf Tynsham bildeten, verlief die hohe Mauer eines Gutshofes an der Straße entlang. Wir folgten ihr, bis wir vor ein massives, schmiedeeisernes Tor kamen. Hinter dem Tor stand eine junge Frau, aus deren Zügen der nüchterne Ernst übertriebenen Pflichtbewusstseins jeden menschlichen Ausdruck getilgt hatte. Sie war mit einer Schrotflinte bewaffnet, mit der sie nicht umzugehen verstand. Ich winkte Coker zu halten und rief sie an. Ich sah zwar, dass ihr Mund sich bewegte, hörte aber bei dem Dröhnen des Motors kein Wort. Ich schaltete ihn ab.
    »Ist das Tynsham Manor?«, fragte ich.
    Das war anscheinend ein Geheimnis, das sie nicht preisgeben wollte.
    »Woher kommt Ihr? Und wie viele seid Ihr?«, lautete ihre Gegenfrage.
    Mit Unbehagen beobachtete ich, wie sie ihre Flinte handhabte. Den Blick auf ihre unvorsichtigen Finger gerichtet, erklärte ich ihr in wenigen Worten, wer wir waren, warum wir kamen, was wir ungefähr geladen hatten, und versicherte ihr, dass niemand auf dem Lkw versteckt lag. Ich war im Zweifel, ob sie mir richtig zuhörte. Sie starrte mich mit einem melancholisch prüfenden Blick an, wie er bei Spürhunden anzutreffen ist, aber auch bei diesen nicht beruhigend wirkt. Meine Worte vermochten den unstillbaren Argwohn nicht zu zerstreuen, der den Umgang mit den Übergewissenhaften so schwierig macht. Sie spähte in den Laderaum der Lastwagen, um sich von der Wahrheit meiner Angaben zu überzeugen. Einzugestehen, sie sei beruhigt, hätte ihrer Auffassung des Wächteramtes widersprochen, doch willigte sie zuletzt ein, uns einzulassen, wenn auch mit Vorbehalt.
    »Die Abzweigung rechts«, rief sie mir zu, als ich vorbeifuhr, und nahm sogleich wieder ihren Posten am Tor ein. Jenseits einer kurzen Ulmenallee erstreckte sich ein Landschaftsgarten im Stil des ausgehenden 18. Jahrhunderts mit einzelnen, freistehenden Bäumen, die sich ungehindert in ihrer ganzen Pracht hatten entwickeln können. Das Haus selbst, als es in Sicht kam, erwies sich als ein architektonisch uneinheitlicher, ziemlich weitläufiger Bau. Es war ein Konglomerat der verschiedensten Stile, als hätte keiner der Besitzer der Versuchung widerstehen können, etwas seiner persönlichen Note Entsprechendes hinzuzufügen, das Ahnenerbe respektierend, aber dem Geist des eigenen Zeitalters gemäß. Das Ergebnis sah zwar zusammengewürfelt und recht eigenwillig aus, dabei jedoch vertrauenerweckend und anheimelnd.
    Die Abzweigung rechts führte uns in einen weiten, von Remisen und Ställen umgebenen Hof, in dem schon einige Fahrzeuge standen. Coker brachte seinen Wagen neben dem meinen zum Stehen und kletterte von seinem Sitz. Niemand war zu sehen.
    Wir betraten das Hauptgebäude durch eine offen stehende Hintertür und durchschritten einen langen Flur. An seinem Ende war eine Küche von gewaltigem Ausmaß, in der noch immer Wärme und Kochdunst zu spüren waren. Hinter einer Tür am anderen Ende ließen sich Stimmengemurmel und Tellerklirren vernehmen, aber wir mussten durch eine zweite dunkle Passage und eine andere Tür, bevor wir sie erreichten. Der Raum, in den wir eintraten, war vermutlich einmal die Gesindestube gewesen, als das Dienstpersonal noch so zahlreich war, dass man von Gesinde reden konnte. Hier hätten sich bequem hundert und mehr Personen an Tischen bewirten lassen. Augenblicklich mochten zwischen fünfzig und sechzig anwesend sein, sie saßen auf Bänken an zwei langen, improvisierten Tafeln, und man sah auf den ersten Blick, dass sie blind waren. Während sie geduldig saßen und warteten, waren einige Sehende sehr beschäftigt. Drei Mädchen tranchierten an einem Tisch an der Seite eifrig Hühner. Ich wandte mich an eine der Tranchiererinnen.
    »Wir sind eben angekommen«, sagte ich. »Was sollen wir tun?« Die Angeredete hielt inne und strich, ohne ihre Gabel loszulassen, mit dem Handballen eine Haarlocke zurück.
    »Sie können uns beim Gemüseausteilen helfen und Ihr Begleiter mit den Tellern«, antwortete sie.
    Ich übernahm das Kommando bei zwei großen Kesseln mit Kartoffeln und Kohl. In den Pausen des Ausgebens hielt ich Umschau unter den Anwesenden.

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