Die Trinity-Anomalie (German Edition)
lachte.
Es war keine Megakirche wie die von Joel Osteen oder Creflo Dollar, aber Trinitys Anhängerschaft war nicht klein. Daniel schätzte, dass um die Fünftausend versammelt waren, plus/minus ein paar verlorene Seelen.
Trinity ließ das Lachen ausklingen und passte genau den richtigen Moment ab, bevor er ernst wurde: »Tief in meinem Herzen weiß ich, dass Gott mir gestern das Leben gerettet hat. Er hat micherrettet, damit ich euch die Wahrheit über die
Sünde
verkünden kann. Die meisten denken, Verfehlungen seien Sünde. Man bricht das Gesetz des Herrn und hat damit eine Sünde begangen. Aber das ist
falsch.
Diese Verfehlungen sind nicht die Sünde, nicht im eigentlichen Sinn. Sie sind das
Ergebnis
der Sünde. Das wahre Wesen der Sünde ist etwas anderes. Sünde ist nicht etwas, das man tut. In Wahrheit ist Sünde eine
dämonische
Macht, die euch beeinflusst und euch dazu bringt, das Gesetz des Herrn zu brechen.«
Trinity blätterte ein paar Seiten weiter in seiner Bibel und sah hinein. »Römer 3,9, dort steht: ›… dass alle unter der Sünde sind …‹, in 6,17: ›… dass ihr Knechte der Sünde gewesen seid …‹ und in Abschnitt 5, Vers 13: ›… denn bis zum Gesetz war Sünde in der Welt …‹.« Er fuchtelte mit einem Finger in der Luft und grinste wie ein gewiefter Anwalt, der weiß, dass er die Jury in der Tasche hat. »Bis zum Gesetz war Sünde in der Welt. Wenn es also schon vor dem Gesetz Sünde gab, dann ist der Gesetzesbruch nicht die Ursache für die Sünde. Es hat sie schon vorher gegeben. Versteht ihr? Sünde ist eine
dämonische
Macht, die uns in ihren Bann schlägt, uns versklavt und uns dazu bringt, das Gesetz des Herrn zu brechen. Weiche zurück, Satan! Mächtiger, gewaltiger Herr der Finsternis!« Trinity schlug wieder mit der Bibel um sich. »Ehre sei Gott in der Höhe! Heute verkünde ich euch die
Wahrheit
! Die Sünde ist die dämonische Macht, die für
all
unser Leiden verantwortlich ist.«
Er lief wieder auf der Bühne auf und ab. »Die Leute fragen mich: ›Reverend Tim, wollen Sie etwa sagen, dass Armut Sünde sei?‹«
Paff!
»JA! Armut ist eine Sünde. Gott will nicht, dass ihr arm im Geiste seid, und auch nicht, dass es euch an materiellen Dingen mangelt. Gott liebt euch. Warum sollte Er wollen, dass ihr leidet? Und Armut
bedeutet
Leiden. Allein der Teufel will euch in Armut sehen.« Sein Gesicht wurde wieder von einem strahlend weißen Lächeln erfüllt. »Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Wenn ihr
wirklich
im Überfluss leben wollt, dann sei es so! Dies ist das Wort Gottes. Ihr müsst lediglich im
Glauben
handeln. Denn dann wird Gott es euch
hundertfach
vergelten. Aber ihr müsst eure Samen säen, sonst könnt ihr nicht erwarten, die Reichtümer Gottes zu ernten.«
Trinity hörte auf hin- und herzulaufen, schaute direkt in die Kameralinse und das Lächeln schwand aus seinem Gesicht. »Ich rufe dich auf,
jetzt gleich
zu geloben, als Beweis deines Glaubens tausend Dollar an diese Fernsehkirche zu senden. Du weißt, du bist gemeint. Ich
rede
mit dir. Du hast im Moment keine tausend Dollar, nicht in unserer Welt, aber das ist in Ordnung. Du legst ein Gelübde ab und als Zeichen deines Glaubens machst du eine
Anzahlung
. Dann zahlst du es in Raten ab: fünfzig, hundert, zweihundert oder fünfhundert Dollar … und wie du dein Gelübde erfüllst, so wird Gott deinen Glauben messen und in deinem Leben Wunder wirken! Dies ist das Wort Gottes!
Halleluja
!«
Pater Nick stellte den Ton leiser, während Trinity den Zuschauern versicherte, sie könnten alle gängigen Kreditkarten benutzen, um die Samen ihres Glaubens zu säen. »Sie kennen ihn besser als jeder andere«, sagte er und deutete auf den Bildschirm.
»Ich
kannte
ihn mal«, sagte Daniel. »Vor zwanzig Jahren.«
»Sagen Sie mir einfach, was Ihnen auffällt.«
»Mit fällt gar nichts auf. Es ist die gleiche Bauernfängerei wie früher und er hat immer noch einen Wahnsinnserfolg damit. Nur die Verpackung ist schicker: teurerer Anzug, dickere Uhr, besserer Haarschnitt. Der Mann kennt seine Bibel, und so wie er die Worte verdreht, kommt dabei immer ›Schickt mir Geld‹ raus. Mehr sehe ich da nicht.« Er überlegte, was er noch sagen sollte. War ihm irgendetwas aufgefallen? »Er hat heute viel mehr Anhänger. Ach, und er hat sich liften lassen.«
»Ehrlich?«
»Er ist vierundsechzig. Und er säuft. Klar hat er sich liften lassen.«
»Und was noch?«
Dann fiel es ihm ein. »Er redet nicht mehr in Zungen.
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