Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Marspforte. Durch die geschlossene Tür rief der Hausherr, wer da sei und was man wolle. »Meine Braut will ich, gib sie heraus«, rief mein Sohn Richolf, und seine Stimme war so belegt, daß er sich mehrfach räuspern mußte. Da öffnete sich die Tür, und heraus trat die liebliche, bekränzte Braut Elisabeth am Arm ihres Vaters. Mit den Mitgliedern dieses Hauses ging der Weg dann weiter bis zu dem wesentlich bescheideneren Haus des Bruno Suevus. Hier war es Gunther, der klopfte und Bescheid gab. Die Tür ging auf, und Johanna stand auf der Schwelle. Wir hatten sie natürlich schon zuvor kennengelernt, und ich hatte mich gefragt, warum mein Ältester unbedingt dieses Mädchen heiraten wollte, die mir auch von ihrer Persönlichkeit her eher durchschnittlich erschien. Aber wie sie nun dastand und ihren Bräutigam voller Liebe anstrahlte, fand ich sie plötzlich doch schön. Aber was war das? Auch Johanna trug einen Kranz auf ihrem offenen Haar, und der war Mädchen nicht gestattet, die sich zuvor versündigt hatten; sie mußten in der Mütze und ungeschmückt heiraten. Ich erschrak sehr. Offenbar hatte das junge Paar dem Pfarrer in der Beichte den Fehltritt verschwiegen. Das war eine schwere Sünde, und so wollten sie nun vor den Traualtar treten? Es war sinnlos, sich der Hoffnung hinzugeben, niemand werde etwas davon erfahren; alle Pfarrer rechneten genau nach, ob das erste Kind auch im ziemlichen Abstand zur Eheschließung geboren wurde.
Am liebsten hätte ich Gunther und Johanna angefleht, sich lieber der Demütigung der schmucklosen Hochzeit zu unterwerfen, als die Sünde der Beichtlüge und ihre Folgen auf sich zu laden. Aber ich scheute die Bloßstellung vor den
vielen Menschen und zögerte. Und dann war es zu spät, der Zug setzte sich zur Laurenzkirche in Bewegung.
Die Trauung war sehr schön und ergreifend - für alle bis auf mich. Ich war voller Unruhe. Als der Pfarrer die Trauformel sprach, malte ich mir schlimme Dinge aus: wie mein Sohn und seine Frau nach der vorzeitigen Geburt ihres Kindes vor dem Kirchenportal stehen würden, um Buße zu tun. Auch bei dem festlichen Hochzeitsmahl im Bürgerhaus wollte es mir nicht schmecken. Da tippte mich jemand auf den Arm. Ich sah hoch: Es war meine Mutter. Sie winkte mir mit dem Finger, und gehorsam erhob ich mich und ging mit ihr in den Hof, um frische Luft zu schnappen. Meine Mutter war nun achtzig Jahre alt, aber sie wirkte noch vitaler als mein Vater, der doch erst in der Mitte der Siebziger war.
»Kommt es mir nur so vor, oder bist du wirklich an diesem Festtag bedrückt, meine Tochter?« fragte sie mich liebevoll.
Ich seufzte. Sollte ich es Mutter erzählen? Aber sie würde es ja doch merken, wenn es bei Johanna soweit war.
»Du hast recht, Mutter. Ich mache mir Sorgen. Johanna ist schwanger, und doch trägt sie den Jungfernkranz. Ich sehe großen Ärger mit der Kirche voraus. Der Pfarrer wird nicht nur eine riesige Opfergabe verlangen, sondern dazu kommt noch die Schande der Kirchenbuße, wegen der Unzucht und wegen der Beichtlüge.«
»So, so«, war alles, was Mutter von sich gab, und besonders besorgt sah sie auch nicht aus. Ich fragte mich, ob sie mich denn auch verstanden hatte.
»Woher weißt du denn, daß Johanna ein Kind erwartet?« fragte Mutter statt dessen.
»Nun, Gunther selbst hat es uns gestanden, sonst hätten wir wohl dieser Hochzeit auch nicht zugestimmt.«
»Ach ja«, sagte Mutter, und nun sah sie wahrhaftig noch erheitert aus.
»Wirklich, Gunther selbst? Ja, denn sonst hättet ihr der Hochzeit auch nicht zugestimmt.«
Ich sah sie fassungslos an und war verärgert, weil sie mich nachäffte; aber langsam dämmerte mir etwas. Ich ließ sie stehen und stürmte in den Festsaal. Mein Zeichen an Gunther, er möge mit nach draußen kommen, war so eindeutig und drohend, daß er mir auf der Stelle folgte. Ich schaute mich um; alle Gäste waren drinnen, außer Mutter, die mit sanftem Lächeln an der Wand lehnte, konnte uns niemand hören.
»Ich frage dich jetzt etwas, mein Sohn«, sagte ich drohend. »Wieso konnte die Trauung am Morgen stattfinden, und wie kommt es, daß deine Braut einen Kranz trägt?«
Er wich meinem Blick aus.
»Es ist so üblich, Mutter«, sagte er ruhig.
»Es ist nur bei unbescholtenen Brautleuten üblich. Und wann gedenkst du dem Pfarrer die Lüge zu beichten?«
»Ich habe sie schon gebeichtet, Mutter«, sagte er freundlich. »Ich habe dem Pfarrer gebeichtet, daß ich dich und Vater angelogen habe. Die Buße,
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