Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
warm, aber nicht zu heiß, und es drohten keine Gewitter. Die waren immer eine große Gefahr, denn wenn ein Blitz innerhalb der Stadt einschlug, konnte ein sehr gefährlicher Brand entstehen. Ich hatte eigentlich
einen Rundgang bei meinen Bortenstickerinnen geplant, aber statt dessen schickte ich meinen Gehilfen, ließ auch meine Bücher liegen und setzte mich mit meiner kleinen Sophia in den Garten. Blithildis kam mich besuchen und brachte ihr Töchterchen Sophia mit, und wir lachten über die beiden Kleinen, die noch nicht krabbeln konnten, es aber gerne üben wollten. Wir beiden Mütter unterhielten uns darüber, welche Nahrung die Kinder außer Muttermilch schon vertragen konnten, und aßen dabei aus einer Schüssel Spätkirschen.
In diese Idylle platzte mein ältester Sohn Gunther, küßte zuerst mich, dann seine Schwester und herzte die beiden kleinen Mädchen. Dann nahm er uns die Schüssel weg und aß sie leer, bis Blithildis sie ihm mit einem entrüsteten Ausruf fortnahm, um sich die letzten beiden Kirschen zu schnappen.
Wir Frauen hätten gern unser Kleinkindergespräch fortgesetzt, aber dies schien Gunther zu langweilen. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz hin und her; schließlich sagte er:
»Mutter, ich bin eigentlich gekommen, weil ich etwas mit dir besprechen wollte.«
Er hielt inne und wußte offenbar nicht so recht, wie er fortfahren sollte.
»Mutter, erinnerst du dich an das Tanzfest im Bürgerhaus, auf dem die Kreuzfahrer vor ihrer Abfahrt gefeiert wurden? Dabei hat doch Vater mit dem Schöffen Cono von der Marspforte um die Wette getrunken. Und dabei haben sie darüber gesprochen, daß Richolf und ich zwei Töchter von Cono heiraten sollten. Erinnerst du dich?«
»Mein Sohn, ich bin noch nicht so vergeßlich, daß ich mich nicht an etwas erinnern würde, was gerade ein Jahr zurückliegt. Im übrigen haben Vater und der Schöffe Cono nicht um die Wette getrunken, sondern -«
»Ja, ja, Mutter«, unterbrach mich Gunther. »Darauf kommt es ja auch nicht an.«
»Sondern?«
»Es ist nur die Rede von einer Heirat gewesen, aber zur Verlobung ist es ja noch nicht gekommen. Und nun ist es so, daß ich diese Justine nicht nehmen möchte.«
Ich wunderte mich.
»Warum denn nicht? Justine ist doch ein sehr angenehmes Mädchen, hübsch, gut erzogen, freundlich, sie bekommt eine sehr gute Mitgift …«
»Ja, Mutter, das mag alles sein. Aber ich möchte sie doch lieber nicht heiraten.«
»Aber warum denn nicht?«
»Vielleicht gefällt ihm ein anderes Mädchen besser«, mischte sich Blithildis ein und lächelte maliziös. Sie fuhr fort:
»Kann es sein, daß ich dich neulich am Alter Markt gesehen habe, als du -«
»Blithildis, halt deinen Mund«, unterbrach Gunther sie aufgebracht. »Es ist immer noch meine Sache, Mutter das zu sagen.«
Blithildis schürzte schnippisch den Mund und wandte sich ihrer kleinen Sophia zu, die mit kläglichen Lauten bekanntgab, daß sie hungrig sei.
»Ganz ruhig, Gunther«, beschwichtigte ich. »Also: Du hast ein anderes Mädchen im Sinn?«
Mein Sohn nickte heftig.
»Und wer ist es?«
Leise sagte er: »Johanna Suevus. Mutter, sie ist wundervoll.«
»Oh. Eine Tochter des Schöffen Evergeld Suevus?«
Gunther schüttelte den Kopf. »Nein, ihr Vater ist Bruno Suevus.«
Jetzt machte ich ein langes Gesicht. Bruno Suevus war ein kleiner Händler, ein friedlicher, unbedeutender Bürger ohne irgendwelche nennenswerten Erfolge. Kein Mann, den wir
auch nur eine Sekunde als Schwiegervater eines unserer Kinder in Betracht gezogen hätten. Aber das mußte man einem über beide Ohren verliebten Jungen ja nicht gleich sagen.
Darum murmelte ich etwas Unverbindliches wie: mal sehen; abwarten, wie die Dinge sich entwickeln, es eilt ja nicht, und dergleichen.
So leicht ließ sich mein Gunther nun allerdings nicht abspeisen. Er drängte, er bohrte, er wollte eine klare Zusage von mir. Schließlich wurde es mir zuviel, und mir rutschte die Bemerkung heraus: »Ob dein Vater damit einverstanden sein wird …«
Gunther nickte. Diesen Gedanken hatte er offenbar auch schon gehabt. »Darum bin ich ja auch zu dir gekommen, Mutter. Ich dachte, wenn du uns hilfst …«
Oh, dieser vertrauensvolle Blick! Er brachte mich in eine gewaltige Zwickmühle. Einerseits ist es für eine Mutter ein wunderbares Erlebnis, wenn ihr Sohn sie als seine Zuflucht, die schon alles richten wird, ansieht. Andererseits war ich wirklich nicht von dieser Familie begeistert.
»Sieh mal, Gunther«, begann ich
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