Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
machte sich ein Lager hinter meinem Laden. Darauf fand ich es bequemer, Gudrun und sämtliche Kinder bei mir unterzubringen. So stand immer nur eine von uns auf, und die andere fand ein paar Stunden Schlaf. Dies war eine vernünftige Regelung. aber ich fühlte auch, daß Gottschalk sich zurückzog, und das schmerzte mich. Ich nahm es ihm jedoch auch übel, denn konnte er nicht sehen, wie ich mich anstrengte, um diesen reichlichen Mutterpflichten gewachsen zu sein?
Unter diesen Umständen war natürlich an eine Wiederaufnahme unserer ehelichen Liebe nicht zu denken. Auch hatten sowohl meine wie auch seine Mutter, auch Tante Engilradis, ganz zu schweigen von Großvater, Gottschalk mit großem Ernst nahegelegt, eine erneute Schwangerschaft dürfe keinesfalls zu bald erfolgen, wenn er nicht mein Leben aufs Spiel setzen wolle. Das war natürlich richtig, aber machte unser Eheleben auch nicht einfacher.
Dazu kam noch, daß mein Vater versucht hatte, Gottschalk in den Rat einzuführen. Es war jedoch wohl so, daß die Familie Regenzos doch nicht ganz so angesehen war wie die unsere, und es wurde Vater bedeutet, Gottschalk
sei noch ein wenig jung für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe, und er möge noch ein, zwei Jahre warten. Das war eigentlich nichts Besonderes; im allgemeinen sah man ein Alter von mindestens dreißig Jahren als notwendig für einen Ratsherrn an. Vater war ein wenig vorschnell gewesen, denn die ersten Zeichen des Alters hatten ihn eingeholt und er hätte gern diese Bürde an den Schwiegersohn weitergegeben.
Ich wußte noch nichts davon - wie denn auch, ich lag längst in der Schlafkammer, als Vater von dieser Ratssitzung zurückkam und noch schnell bei uns vorbeischaute, um Gottschalk den abschlägigen Bescheid zu überbringen. Der kleine Gunther war diese Nacht besonders unruhig gewesen, und am Morgen entdeckte ich bei ihm tatsächlich das erste Zähnchen. Ich fand das sehr wichtig und eilte in die Küche, wo Gottschalk gerade seinen Morgenbrei löffelte. Er fühlte sich von den Ratsherren Flacco, Aducht, Grin, Birklin und wie sie alle hießen zurückgesetzt und war übler Laune. Als ich dann strahlend die für mich aufregende Neuigkeit hervorsprudelte, schob er seine halbgeleerte Schüssel zurück, sah mich unwirsch an und brummte:
»In diesem Haus bekommt man nur Kindergeschrei oder Kindergeschwätz zu hören. Das hält ja kein Mann auf die Dauer aus.« Und damit verschwand er.
Ich sah ihm fassungslos nach.
Als Mutter kam, beschwerte ich mich über meinen Mann. »Wie hat sich Vater denn verhalten, als ich so klein war?« wollte ich wissen.
Mutter seufzte. »Ach Gott, Kind. Er war ja der liebevollste Vater, den ich mir vorstellen kann. Aber bedenke, wie lange und sehnsüchtig wir auf dich gewartet haben; da scheint den glücklichen Eltern das Geschrei eines kleinen
Kindes wie Engelsmusik. Und dann sind drei Kinder natürlich viel anstrengender als eines.«
»Für mich etwa nicht?« hielt ich dagegen. Mutter tätschelte mir beschwichtigend den Arm und begann dann flink, den kleinen Richolf zu wickeln. »Natürlich. Aber du machst deine Sache einfach hervorragend.«
Sie zögerte und fuhr dann fort:
»Wenn ich dir einen Rat geben darf: Vergleiche nicht Gottschalk mit deinem Vater. Gunther sowie sein Vater Ekkebrecht, dein Onkel Fordolf und dein Vetter Constantin - sie alle sind außerordentlich besorgte, liebevolle, aufmerksame Väter. Das kannst du beileibe nicht von jedem Mann verlangen. Und Gottschalk ist ja auch sehr jung, er kann noch lernen. Weißt du was: Ich komme heute abend herüber und versorge die Kinder mit Gudrun; dann kannst du in aller Ruhe und ungestört mit deinem Mann zusammen Abendbrot essen und dir ein wenig seine Sorgen und Gedanken anhören, das wäre sicher wichtig für euch beide.«
So geschah es, und dieser Abend tat uns wirklich gut. Aber im Grunde meines Herzens blieb doch ein Rest von Unmut zurück. Es ist leicht für einen aufgebrachten Vater, das Haus zu verlassen, wenn drei kleine Kinder schreien - aber als Mutter kann man das nicht, und ich hätte es auch nicht gewollt.
Und dann kam der kalte Wintertag, als meine Welt zusammenbrach. Ich war, meinen kleinen Gunther unter meinem warmen Umhang geborgen, zu Großvater gegangen, um mit dessen Gehilfen die nötigen Bestellungen zu besprechen. Dies war immer eine Angelegenheit von längerer Dauer. Aber der Gehilfe war ausgegangen, und so vereinbarte ich mit Großvater, daß ich am nächsten Tag
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