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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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gemacht, und Hildebrand wird sich sehr darüber freuen.«
    Ich schloß sie heftig in die Arme. »Ach, Mutter! Warum kann ich nicht so sein wie du? Du bist immer so ruhig und klug, und nie verlierst du die Geduld!«
    »Du brauchst nicht so zu sein wie ich. Du bist nicht Hadewigis, sondern Sophia, und so wie du bist, habe ich dich lieb,« sagte Mutter. »Meine Ruhe kommt daher, daß ich so zufrieden mit dem Leben bin. Nachdem ich in meiner Jugend solchen Schmerz erleben mußte durch Hildebrands Krankheit und den frühen Tod seines Vaters, habe ich bei meinem Gunther und dir so viel Liebe und Herzlichkeit
gefunden, daß es mir an gar nichts fehlt. Aber du? Vor dir liegt ja noch das ganze Leben. Es wäre gar nicht gut, wenn du jetzt schon keine Wünsche mehr hättest, meine Tochter.«

    Und nun bereitete Mutter also meinen Weg ins Erwachsenenleben vor. Sie zeigte mir die Tanzschritte, die man beim Reigen kennen muß, und übte lange mit mir, bis ich mich so anmutig zu wiegen verstand, wie sie es für richtig hielt. Erst dann nahm sie mich mit zu den Gildefesten, wo die Söhne und Töchter der Kölner Handelshäuser miteinander tanzten.
    »Schau dich nur gut um, meine Sophia, welche jungen Männer dir gefallen«, sagte sie zu mir, als wir auf mein erstes Fest gehen wollten. Ich trug ein neues Kleid aus dünner blauer Seide, mit langen, engen Ärmeln, und darüber einen noch dünneren grünen Überwurf. Durch meine Locken hatte sie mir ein Band aus passender blauer Seide geflochten und eine Blume hineingesteckt. Ich hätte gerne gewußt, wie ich aussah, aber leider war mein Vater Gunther der Ansicht, Spiegel machten Frauen eitel und hätten darum in seinem Haus nichts verloren. Aber ansonsten war Vater immer großzügig und geizte niemals, wenn es darum ging, Frau und Tochter schön zu kleiden, also durfte ich ihm seine kleinen Eigenheiten nicht übelnehmen.
    Ich war sehr aufgeregt. Vater merkte es und wollte mich necken. »Kannst du auch die Tanzschritte?« fragte er und tat streng. Ich nickte.
    »Dann zeig sie mir.«
    »Das kann ich nicht ohne Musik«, behauptete ich. Das war natürlich Unsinn, denn Mutter hatte auch keine Musik zur Hand gehabt, als sie mir die Schritte zeigte.
    Da fing Vater an zu singen, so wie ein Pfeifer und dann wie ein Fiedler. Es klang entsetzlich falsch, und wir lachten alle drei sehr.

    Ich merkte gleich, daß wir großes Aufsehen im Bürgerhaus erregten. Als wir ankamen, wurde schon zum Tanz aufgespielt, und ich stand schüchtern zwischen meinen Eltern in der Tür und schaute auf die jungen Männer und Mädchen, die Ratsherren und ihre Frauen, die im Reigen auf und ab schritten. Trotzdem schauten viele Leute zu uns herüber, und gleich darauf eilte ein junger Mann mit langem blondem Haar auf uns zu und verbeugte sich, die Hand auf das Herz gelegt, auf höfische Weise vor mir. Aber Vater schüttelte den Kopf. »Mein lieber junger Hardefust«, sagte er zu ihm, »den ersten Tanz ihres Lebens wird meine einzige Tochter doch hoffentlich ihrem alten Vater schenken. Ihr dürft gern derweil meine Frau zum Reigen führen.«
    Da war ich sehr erleichtert und hatte keine Angst mehr vor dem Abend. Vater führte mich sicher durch das Gewühl und wußte immer ganz genau, ob wir vorwärts oder rückwärts zu schreiten hatten. Dabei konnte er auch noch lächelnd den Gruß und das Nicken vieler Tänzer erwidern, ohne daß seine Füße dabei den Weg vergessen hätten.
    »Ich wußte gar nicht, Vater, daß du so großartig tanzen kannst«, murmelte ich, als der Tanz uns wieder zusammenführte. »Ja, was glaubst du denn, warum deine Mutter mich erwählt hat?« flüsterte er mir verschwörerisch ins Ohr. Ich hätte ihn küssen mögen, wenn nicht so viele Leute auf uns geschaut hätten, aber der Tanz führte ihn wieder fort von mir.

    An diesem Abend kam ich nicht mehr zur Ruhe. Die Cleingedank, die Birklin, die Hardefust, die Flacco, die Quattermart, auch meine Vettern, die Scherfgin - alle hatten sie Söhne, die eifrig darum baten, mit mir tanzen zu dürfen. Ich drehte mich selig und kehrte erhitzt zu meinen Eltern zurück, die sich in einer Ecke vom Tanz erholten und mit Waltelm von der Aducht ein Schwätzchen hielten. »Ich
bin durstig«, erklärte ich, und schon rannte mein Tänzer, Hartmann Gyr, los, und holte mir einen Becher Wein.
    »Kommt nicht in Frage«, schob sich mein Vater dazwischen, winkte der Magd mit dem Mischkrug, trank den Becher bis auf einen Fingerhut hoch leer und füllte ihn dann bis zum Rand

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