Die Tuchhaendlerin von Koeln
Eltern saßen auf der Bank und hielten sich an den Händen. Sie machten so feierliche Gesichter, daß ich einen kleinen Scherz machen wollte.
»Nun, Mutter, wie viele Namen hast du noch auf deiner Liste?« fragte ich.
»Nur noch einen. Vater und ich haben einen Mann gefunden,
der alle Voraussetzungen erfüllt, die wir uns für dich wünschen. Unsere Wahl ist auf Gerard Birklin gefallen.«
Ich holte tief Luft. Gerard Birklin? Im Augenblick wollte mir sein Gesicht nicht einfallen. War es der mit den widerspenstigen schwarzen Locken, oder vielleicht der mit der Narbe an der Stirn?
»Du hast ihn an deinem ersten Tanzabend im Bürgerhaus gesehen«, half Mutter mir. »Er ist groß und blond und sieht deinen Vettern Constantin und Helperich ähnlich. Er ist etwa zehn Jahre älter als du und der Erbe des reichen Kaufherrn Hermann Birklin. Sein Ruf ist makellos. Er gilt bei seiner Jugend schon als vorzüglicher und kluger Händler, ist liebenswürdig und freundlich und hat, nachdem mehrere ältere Geschwister vorzeitig gestorben sind, nur noch einen jüngeren Bruder Werner, der ins Kloster gehen will. Also ist Gerard der alleinige Erbe seiner Eltern, und du kommst in hervorragende Verhältnisse. Vater hat sich gründlich erkundigt, alle Leute sagen nur das allerbeste über ihn.«
Sie sah mich erwartungsvoll an.
Folgsam antwortete ich: »Lieber Vater, liebe Mutter, ich danke euch von Herzen für eure Mühe und bin sicher, daß ihr eine ausgezeichnete Wahl getroffen habt.« Aber noch immer konnte ich mich nicht an den jungen Mann erinnern.
Vater sah mir das offenbar an, denn er lachte. »Du hast anscheinend keine Vorstellung, von wem wir reden. Aber du weißt ja, daß wir dich nicht ungefragt verheiraten wollen. Du wirst ausreichend Zeit haben, Gerard näher kennenzulernen, und dann reden wir noch einmal darüber. Bist du damit einverstanden?«
Es gab in Köln sicher nur sehr wenige Väter, die soviel Rücksicht auf die Wünsche ihrer jungen Töchter genommen hätten, und ich war darüber von Herzen froh. Als Gerard sich am folgenden Sonntag nach der Messe zu uns gesellte,
erinnerte ich mich auch wieder an ihn. Er kam von da an regelmäßig. Gerard war wirklich ein netter, hübscher junger Mann, und es war nicht zu übersehen, daß er sich mehr und mehr in mich verliebte.
Ich fühlte mich plötzlich sehr wichtig, weil die ganze Familie ihre Aufmerksamkeit auf mich richtete. Nach einem Monat gab ich mein Einverständnis zu der geplanten Heirat, und wir feierten ein glanzvolles Verlobungsfest, bei dem mein Großvater Eckebrecht als das Haupt der Familie und Gerards Vater Hermann Birklin die Heiratsabsprache trafen. Hermann kaufte ein sehr schönes, geräumiges Haus bei St. Martin und überschrieb es seinem Sohn, damit er darin mit mir wohnen sollte.
Mein Vater hatte allerdings zur Bedingung gemacht, daß die Heirat erst im nächsten Jahr, nach meinem sechzehnten Geburtstag, stattfinden sollte. Er sagte, es sei schwer genug, die einzige Tochter aus dem Haus zu geben, und der Bräutigam könne noch ein wenig warten, nach der Hochzeit hätte er mich ja für immer.
Gerard versicherte mir, daß es ihn arg ankäme, so lange auf seine heißersehnte Braut warten zu müssen, aber er sehe natürlich ein, daß ich noch so kindhaft sei - wahrhaftig, so nannte er mich! - und er mir daher die Zeit geben müsse, mich an den Gedanken einer Ehe mit ihm zu gewöhnen.
Wohl damit ihm das Warten nicht allzu sauer wurde, schickte sein Vater ihn für vier Monate nach Gotland, Dänemark und Schweden. Er kam zurück, eilte zu mir, um mit seinen glänzenden Handelserfolgen Eindruck zu schinden, schenkte mir herrlichen Bernsteinschmuck und war verliebter denn je. Zuerst freute ich mich, ihn wiederzusehen, denn er war wirklich nett und angenehm; aber langsam merkte ich, daß mir seine überströmenden Ergebenheitsbezeugungen einfach zuviel wurden. Wenn er bei uns zu Gast war, saß er
neben mir, nestelte sein Messer vom Gürtel und schnitt das Fleisch geschickt in kleine Bissen. Dann wählte er sorgsam die besten aus und steckte sie mir zierlich mit zwei Fingern in den Mund. Er tunkte die Soße mit einem Stückchen Brot auf und fütterte mich auch damit. Er nahm den schönen Hornlöffel, den er gleichfalls am Gürtel trug, schöpfte damit vom Gemüsebrei, probierte mit der Oberlippe, ob es auch nicht zu heiß sei, und gab ihn mir dann. Dabei strahlte er mich verliebt an. Ich fühlte mich geschmeichelt, aber es war mir trotzdem viel
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