Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
Vom Netzwerk:
leiblichen Kinder gehabt hatte, wollte ich nun ihrer und meines Großvaters gedenken, indem ich ihren Namen meiner ersten Tochter gab. Ich zögerte etwas, dies meiner Mutter zu sagen, weil ich fürchtete, sie könnte sich zurückgesetzt fühlen; aber ich hätte getrost etwas mehr Vertrauen in ihre Großherzigkeit haben dürfen. Als sie begriff, was ich ihr da stotternd klarmachen wollte, nahm sie das Neugeborene in die Arme und sagte herzlich: »Das ist eine sehr gute Idee, und der Name dieser großartigen Frau kann dem Kindchen nur Glück bringen. Großvater wäre darüber außer sich vor Freude gewesen, da er ja selbst keine Tochter hatte, die er nach Blithildis hätte nennen können.«
    Ja, so war meine Mutter.

    Ich hatte gedacht, ein Mädchen wäre sanft und leise, so etwa wie Mathildes kleine Tochter Richenza, aber - weit gefehlt. Blithildis war immer ein kleiner Feuerteufel, jähzornig und heftig, wenn ihre Brüder sie hänselten, aber auch ein lustiger Schalk und zu jedem Streich aufgelegt. Dabei war sie so bezaubernd und mit ihren schwarzen Locken und feurigen
Augen ein kleines Abbild ihres Vaters. Gottschalk war ganz vernarrt in sie und ließ ihr alles durchgehen, und ich hatte meine liebe Mühe und Not, ihr wenigstens ein klein wenig Erziehung angedeihen zu lassen. Gelegentlich jammerte ich bei meiner Mutter darüber, aber Hadewigis lächelte nur und sagte beschwichtigend: »Laß sie sich nur entfalten, aus ihr wird später eine großartige Frau werden, da bin ich mir ganz sicher.«

    Wunderst du dich, meine Methildis, daß ich von meiner Mutter immer nur voller Verehrung spreche? Schließlich hat jeder Mensch auch Fehler, und auch der liebenswerteste Mensch geht gelegentlich seinen Nächsten auf die Nerven. Aber sosehr ich auch nachdenke: Ich kann mich nicht erinnern, daß ich meine Mutter einmal hätte kritisieren wollen. Sie war einfach großartig. Aber sie drückte mich mit ihrer Großartigkeit auch nicht an die Wand. Kurz, ich sah sie stets als vollkommen an.

    Meine eigenen Fehler sehe ich dagegen ziemlich klar: Ich bin nicht der geduldigste Mensch, und ich muß stets darauf bedacht sein, meine rasche und manchmal zu spitze Zunge zu hüten. Auch bin ich mir meiner scharfen Intelligenz mehr bewußt, als christliche Demut zulassen will, und neige daher zur Überheblichkeit. Und schrecklich neugierig bin ich auch; das verleitet mich gelegentlich dazu, Gespräche zu belauschen, die nicht für meine Ohren bestimmt sind. Ich schäme mich dafür, aber abgewöhnen will ich es mir auch nicht. Ich kann nur hoffen, daß Gott mich nicht dafür bestraft, indem er mich im Alter schwerhörig werden läßt. Nun ja, bis jetzt arbeiten meine Ohren und meine Augen noch ausgezeichnet, mein Kopf auch, nur meine alten Gelenke machen mir Beschwerden.

    Liebes Kind, ich danke dir, daß du mir so heftig widersprichst. Das machst du ja ganz selten, und daß du es hier für nötig hältst, tut mir gut. Aber ich fürchte sehr, daß zu den Fehlern, die ich an mir erkenne, noch weitere kommen, die ich nicht bemerke und die mich meine Kinder in ihrer Höflichkeit nicht spüren lassen. Bis auf Blithildis natürlich, die stets unbekümmert alles ausspricht, was ihr in den Sinn kommt. Merkwürdigerweise fühlt sich dadurch niemand vor den Kopf gestoßen, nicht einmal ihr Ehemann. Ja, der am allerwenigsten. Sie ist aber auch eine äußerst charmante Person, meine Älteste.

    Sei jetzt nicht gekränkt, Methildis. Der Glanz deiner ältesten Schwester mag dir vielleicht abgehen, aber dafür bist du ein so liebenswertes, herzenswarmes und auch ganz besonders kluges Kind, daß ich die größten Hoffnungen für dich habe. Ja, ich gestehe, du stehst meinem Herzen am nächsten, und das geht vielen Müttern so mit ihrem jüngsten Kind, man mag mir das also nachsehen.

    Aber nun will ich dir weiter berichten.

1174
    E s war im Winter dieses Jahres 1174, und ich war zu Besuch bei Tante Engilradis, wo wir einen Tee aus Himbeerblättern mit Honig tranken und dazu Kuchen aßen. Im Hintergrund saß Theoderich und rechnete in seinen Geschäftsbüchern. Später kam noch Gertrudis dazu. Ich hatte meine kleine Blithildis auf ein warmes Fell auf den Boden gelegt, wo sie die ersten Versuche machte, sich fortzubewegen, aber sie drehte sich immer nur um die eigene Achse, wie ein Käfer, der auf den Rücken gefallen ist.
Das ärgerte sie, und sie maunzte. Gertrudis kniete sich vor sie hin und begann mit ihr zu spielen, um sie wieder aufzuheitern. Ich stand

Weitere Kostenlose Bücher