Die Tuchhaendlerin von Koeln
machten. Adelgunde lachte sehr, als sie mich in meiner üblichen Jungenkleidung sah. »Diese Vermummung ist doch hier nicht nötig«, meinte sie. »Auf Herzog Heinrichs Straßen reist ihr so sicher wie auf dem Weg von eurem schönen Haus in Köln zur Kirche.«
Wir hatten in den nächsten Tagen eine sehr angenehme Fahrt. Der Herbst hatte seine schönen Farben auf die Blätter gemalt, und milde Sonnenstrahlen wärmten uns. Ich hatte große Lust, eine Rast einzulegen, etwa an einem Bach, wo die Sonnenstrahlen durch die bunten Blätter fielen. Aber Gottschalk war dagegen. »Was kommt dir denn plötzlich in den Sinn, Sophia?« fragte er. »Ein solches Wetter muß man
zur Reise nutzen, die Tage sind schon kurz. Heute abend kannst du rasten, wenn auch ohne Sonnenschein am Bach.«
Natürlich hatte er recht, und wir setzten unsere Fahrt fort. Es war aber doch schade, daß er meinem Einfall nicht gefolgt ist; vermutlich wäre uns das Folgende erspart geblieben, wenn wir die Mittagsstunde an einem verborgenen Plätzchen vertrödelt hätten.
Der bunte Herbstwald lag etwa eine halbe Stunde hinter uns, als der Knecht Gereon rief: »Herr Gottschalk, schau einmal nach da hinten.« Er deutete nach Süden. Gottschalk spähte in die angegebene Richtung und runzelte die Stirn.
»Verdammt«, murmelte er. »Eine größere Schar Reiter? Das sehe ich gar nicht gern.« Sie waren noch so weit entfernt, daß nicht auszumachen war, um wen es sich handelte. So viele Räuber, und das auf den Straßen Herzog Heinrichs? Unwahrscheinlich. Die Reisegruppe eines großen Herrn? Dafür ritten sie zu schnell. Wer auch immer sie waren, wir wären lieber nicht mit ihnen zusammengetroffen, hatten aber keine Möglichkeit, uns vor ihnen zu verbergen. Also trieben Gottschalk und Lutwin die Pferde zu höchster Eile an. Der Staub wirbelte so dicht hinter unserem Wagen auf, daß Lutwin und Gereon zu husten begannen. Die Pferde keuchten, der Schaum flog ihnen in Flocken vom Maul. Aber sosehr wir sie auch hetzten, die Reiter kamen näher und näher. Ich war nach hinten gekrochen und zerrte Helme und Waffen heraus. Ein Glück, daß Gottschalk immer unnachsichtig darauf bestand, daß die Waffen stets griffbereit zu sein hatten, obwohl sie seit Jahren nicht mehr gebraucht wurden. Ich schlüpfte in eine der wattierten Jacken, half Gottschalk in seine und drückte uns beiden den Helm auf den Kopf. Lutwin auf dem anderen Wagen erhielt die gleiche Hilfe von dem Knecht Gereon. Ich zog Gottschalks Schwert aus seiner Scheide und steckte es
so zwischen die Waren, daß er es mit einem Griff ziehen konnte. Ich selbst hatte natürlich kein Schwert - wenn meine Eltern mich auch in vielen Dingen unterrichtet hatten, der Schwertkampf war nicht darunter gewesen. Mein kleines Messer, das ich wie jedermann am Gürtel trug, schien mir gar zu harmlos, und ich nahm mir darum einen Dolch und steckte ihn ein.
Ich war so beschäftigt, daß ich gar nicht dazu kam, mich zu fürchten.
Viel zu rasch waren die Reiter auf unserer Höhe, und sie griffen ohne weiteres mit lautem Geschrei an. Sofort zog Gottschalk die Zügel an, und Lutwin hielt mit dem zweiten Wagen unmittelbar neben unserem, so daß er und Gottschalk sich gegenseitig wenigstens etwas Deckung geben konnten.
Mit einem Blick auf mich rief Gottschalk: »Wir ergeben uns!« Aber das hörte außer mir niemand, das Gebrüll der Angreifer war zu laut. Ich kauerte mich hinter meinen Mann. Gottschalk riß das Schwert heraus und schlug damit eine Lanze beiseite, die auf ihn gerichtet war. Ich hörte einen lauten Schrei; vor meinen Augen stach ein Reiter mit seiner Lanze nach Bert und durchbohrte seinen Hals. Ich glaube, Bert war schon tot, als er zusammenbrach; sein Oberkörper hing aus dem Wagen, und ein Schwall Blut ergoß sich in den Staub. Ich wollte schreien, brachte aber vor Entsetzen keinen Laut aus meiner Kehle.
Dann sah ich, wie ein riesiger Reiter von hinten kam und mit dem Schwert gegen Gottschalks Rücken ausholte. Das holte mich aus meiner Erstarrung zurück. Verzweifelt schwang ich mich auf den Rand des Wagens und stach mit meinem Dolch auf seinen Arm ein. Ich fürchte, daß ich ihn kaum angekratzt habe, aber immerhin wurde sein Hieb so abgelenkt, daß er Gottschalk nur streifte. Er war jedoch noch heftig genug, um ihm den Helm vom Kopf zu schlagen. Ich wollte noch einmal mit dem Dolch zustechen, aber
der Reiter lachte nur und rief so etwas wie: »Dummer Junge, wirf doch dieses Spielzug weg!« Dann schlug er mir, noch
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