Die Tuchhaendlerin von Koeln
Gunther an. Aber dieser schüttelte empört den Kopf. Er wollte um jeden Preis miterleben, wie diese aufregende Geschichte weiterging. Ich muß wohl davon ausgehen, daß meine Neugierde sich an meinen Sohn vererbt hatte.
Nur mit einem Pferdeknecht ging der Ritt bei Morgengrauen los. Das Pferd der Pfalzgräfin blieb zurück, der Löwe
hatte ebenso gute im Stall. Der Pferdeknecht ritt langsamer mit drei Ersatzrossen, so konnten die Reiter jeden Tag ein frisches Tier nehmen.
Dieses Mal brauchten sie nur sechs Tage. Sie trafen am Abend des Neujahrsmorgens auf Burg Stahleck ein. Die Pfalzgräfin hatte wohl einen Späher auf dem Turm gesetzt, denn kaum waren sie in den Hof eingeritten, eilte sie schon die Treppe herab.
»Ihr seid da, Heinrich. Daraus schließe ich, daß Ihr meine Tochter heiraten wollt?«
»Ich wünsche mir nichts mehr auf der Welt«, rief Heinrich und beugte das Knie vor Frau Irmgard.
»Dann kommt«, sagte die resolute Dame, reichte ihm die Hand und führte ihn nach oben, zur Kapelle. Sie winkte Gunther, er solle folgen.
In der Kapelle stand der Kaplan und Beichtvater der Familie schon bereit. Der Raum war schön geschmückt, Kerzen brannten, Weihrauch duftete.
Der Bräutigam wartete nur wenige Augenblicke, dann kehrte die Pfalzgräfin mit ihrer Tochter zurück. Als sie den anziehenden jungen Mann sah, brach sie schon wieder in Tränen aus, und Gunther dachte, er sei doch sehr damit zufrieden, daß seine Johanna nicht derart nah am Wasser gebaut hatte.
Aber nachdem die Tränen der Braut getrocknet waren und ihre Nase geputzt war, bot sie wirklich einen liebreizenden Anblick. Sie streckte sehnsüchtig beide Hände nach Heinrich aus, und der Priester mußte mahnend hüsteln, damit die jungen Leute sich auf die gebotene Ordnung besannen. Nur Frau Irmgard und Gunther nahmen als Trauzeugen bei der Zeremonie teil, welche die beiden für ihr Leben vereinte.
»Das Festmahl folgt morgen. Geht jetzt zur Ruhe, Kinder, der Bräutigam ist todmüde«, sagte Frau Irmgard und geleitete
das junge Paar zum Hochzeitsbett. Fürsorglich stand ausreichend Essen und Trinken auf einer Bank, und schon war die Türe zu und die beiden blieben allein.
»Geschafft!« sagte Frau Irmgard zu Gunther. »Ich hatte solche Angst, daß mein Mann uns zuvorkäme. Ich hoffe nur, daß der Bräutigam nicht gar zu müde ist …
Aber Ihr sollt nun in aller Ruhe und reichlich mit mir speisen. Ich kann Euch niemals genug für diesen Gewaltritt danken.« Sie ging voraus und leuchtete Gunther. Ihr Schritt war federnd und munter, wie bei jemand, der einen großen Erfolg errungen hat. Gunther folgte ihr, müde und ziemlich erschöpft, aber sehr fröhlich und restlos mit sich selbst und der Welt zufrieden.
Die Eile dieser überstürzten Heirat war in der Tat nötig gewesen, denn gleich am nächsten Vormittag meldete das Horn des Türmers die Heimkehr des Hausherrn. Während Pfalzgraf Konrad noch auf seine Burg zuritt, eilte seine Frau zum Hochzeitsgemach und horchte an der Tür. Alles war still. Sie klopfte, einmal, zweimal. Schließlich antwortete eine schlaftrunkene Stimme. Vorsichtig und langsam öffnete Frau Irmgard die Tür. Ihre Tochter, noch ganz verschlafen, lächelte der Mutter zu, während Heinrich noch in tiefen Träumen versunken war.
»Habt ihr …?« fragte Frau Irmgard leise. Ihre Tochter errötete und nickte schamhaft, aber selig.
Die Mutter atmete auf. »Dann ist ja alles gut. Dein Vater reitet soeben ein, rasch, zieht euch an!«
Gleich darauf stand sie auf der Treppe zum Burghof. Hinter ihr stand Gunther; das Horn des Wächters hatte auch ihn geweckt, und obwohl ihm der vieltägige Ritt noch schwer in den Gliedern lag, hatte seine Neugierde ihn spornstreichs vom Strohsack getrieben. Er wurde also Zeuge, wie der Pfalzgraf seine Frau herzlich in die Arme schloß. Seine
kluge Frau hatte für den Fall seiner Rückkehr ein erfreulich üppiges Frühmahl vorbereitet. Im Vorbeigehen gab sie Gunther einen leisen Wink, sich der Familie anzuschließen. Er setzte sich bescheiden an das untere Ende der Tafel und beobachtete, wie der Pfalzgraf mächtig zulangte, wobei seine Frau ihm liebevoll Honig auf den Brei schöpfte. Gunther aß rasch, damit er gesättigt war, ehe es spannend wurde.
Da - jetzt war es soweit. Der Pfalzgraf sah sich suchend um. »Ich vermisse unsere Tochter. Wo steckt sie? Etwa noch bei der Frühandacht?« Und er lachte schallend.
»Das vielleicht nicht gerade. Oder doch so ähnlich«, sagte Frau Irmgard
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