Die Tuchhaendlerin von Koeln
an.
»Das klingt so, als gehörtest du nicht zu diesen?« fragte er behutsam.
Ich zögerte. Ich war nicht gewohnt, über meine persönlichen Schwierigkeiten zu reden. Aber dies war offenbar eine Stunde des Vertrauens, von denen es nicht viele im Leben gibt.
»Ich liebe meinen Mann und wäre sehr froh, wenn ich mir seiner Zuneigung auch so unerschütterlich sicher sein könnte, wie Mathilde es war. Freilich bin ich nicht so schön, wie sie es gewesen ist, und vermutlich auch nicht so liebenswert.«
Ich war froh, daß es fast dunkel war.
Heinrich legte den Arm um mich und wiegte mich wie ein kleines Kind.
»Liebe kleine Sophia«, sagte er sanft, »du bist sogar sehr liebenswert.«
»Nein«, sagte ich, entschlossen, alle meine Fehler auf einmal aufzudecken. »Ich bin neugierig, rechthaberisch und ungeduldig mit allen, die langsamer denken als ich. Kein Wunder, daß mein Mann gelegentlich nach anderen Frauen schaut.«
Fast erwartete ich, daß der Herzog mich auslachen würde, aber das tat er nicht.
»Sophia«, sagte er liebevoll zu mir, »wir haben alle unsere Schwächen, und wir machen auch alle Fehler. Gott hat keinen von uns vollkommen geschaffen. Es kommt immer darauf an, wie es unter dem Strich aussieht - so wie in deinen Geschäftsbüchern. Ich weiß, wie penibel du sie führst, denn ich habe die Haushaltsbücher gesehen, die du für meine Mathilde angelegt hast. Und unter dem Strich des Buches Sophia sieht es sehr gut aus, da ist ein erhebliches Guthaben: Freundlichkeit, Witz, Treue, Klugheit - und, wenn ich nicht irre, auch Verzeihenkönnen. Das ist eine Kunst, die nicht viele beherrschen.«
»Ich beherrsche sie auch nicht. Aber wenn es nötig ist, kommt meine Mutter und stutzt mir den Kopf zurecht«, erklärte ich.
Jetzt lachte der Herzog doch.
»Da hast du aber Glück.« Und er legte den Arm um meine Schultern, so daß ich meinen Kopf bequem an ihn lehnen konnte. »Erzähle mir noch ein wenig von euren Jungmädchengeheimnissen, Sophia«, bat er. Und ich erzählte, was auch immer mir über unsere geliebte Mathilde einfiel. Die Nacht schritt fort, und ich redete noch immer. Von Zeit zu Zeit hob ich den Kopf und sah nach, ob der Löwe mir noch zuhörte oder vielleicht eingeschlafen war, aber er schaute mich jedesmal ganz wach und aufmerksam an. Schließlich fiel mir nichts mehr ein, und ich wurde auch müde.
»Danke, Sophia«, sagte der Herzog einfach. Und dann ist es passiert, ich weiß noch heute nicht, wie es dazu kam. Wir
umarmten uns, in Erinnerung an die Frau, die uns beiden so viel bedeutet hatte. Und dann liebten wir uns. Keiner von uns beiden hatte das vorausgesehen oder gar beabsichtigt, es geschah einfach. Da war nichts von der heftigen, manchmal schmerzlichen Leidenschaft, die ich von Anfang an und bis zu seinem Tod für deinen Vater empfunden habe, da war nur sachte, zärtliche Anteilnahme am andern, vertrauensvolle Zuwendung und liebevolles Verstehen.
Du wendest dich von mir ab und machst ein böses Gesicht, meine Methildis? Ich würde an deiner Stelle wohl ebenso reagieren. Einmal, weil du dir deine Mutter durchaus nicht in dieser Situation vorstellen möchtest; und dann, weil jede Tochter der Mutter grollt, wenn diese ihren Mann betrügt, den die Tochter doch liebt und verehrt.
Aber, Methildis, du verstehst das nicht. Kein junges, unschuldiges Mädchen kann das verstehen. Du denkst natürlich, die Liebe ist ein Frühling, ein Rausch, Schmetterlinge, die über Blumen tanzen, Sterne, die vom Himmel fallen, was weiß ich - jedenfalls etwas, das sich auf einen einzigen Menschen bezieht und darin niemals wanken kann. Ich sage dir aber, daß ich wirklich und wahrhaftig immer nur deinen Vater geliebt habe. Dieses eine, einzige Mal in meinem Leben, wo ich mit einem anderen Mann so nahe zusammen war - es war etwas ganz anderes. Eher eine Art Gedächtnisopfer im Gedenken an unsere Mathilde. Oh weh, jetzt wird dein Gesicht noch böser. Ich dachte mir ja schon, daß du das nicht verstehen kannst.
Aus Trotz sage ich dir jetzt, was du durchaus nicht hören möchtest: Nach dieser Nacht konnte ich verstehen, was ich vorher in meinem tiefsten Innern nie ganz begriffen hatte: warum nämlich meine Mathilde mit unbeirrter Liebe an diesem Mann hing, der älter war als ihr eigener Vater. Ich hätte nicht geglaubt, daß ein Mann ein so zärtlicher, so
behutsamer, so einfühlsamer Liebhaber sein könnte wie dieser raue Krieger, Heinrich der Löwe …
Methildis, so lauf doch nicht fort.
Methildis, was
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