Die Tuchhaendlerin von Koeln
fragte besorgt, warum ihre Tochter so betrübt dreinblickte. Als sie es erfuhr, schaute sie Vater nachdenklich an.
»Wie lange habt Ihr vor, in London zu bleiben, Gunther de Cologne?«
Unsere Ladung Wein war bereits verkauft, und Vater hatte
eigentlich nach dem Besuch bei Königin Alienor abreisen wollen; aber er antwortete prompt: »Es steht noch nicht fest, Majestät. Wenn ich Euch noch einen Dienst erweisen kann …«
»Wie meine Tochter sagte, ist der Mönch, den Herzog Heinrich als Lehrer für seine Braut gesandt hatte, kürzlich am Fieber verstorben. Sie möchte sich aber so gern in der Sprache ihrer künftigen Heimat üben. Mir scheint, daß Eure Tochter ein gewandtes und guterzogenes Mädchen ist. Glaubt Ihr, sie könnte der Prinzessin ein paar Tage Gesellschaft leisten und ihr Deutsch verbessern? Und vielleicht kann sie ihr auch etwas über ihre zukünftige Heimat berichten?«
Sie wandte sich an Mathilde.
»Wäre dir das recht, mein Kind?«
Die Prinzessin lächelte schüchtern. »Ja«, sagte sie auf Französisch. Und dann auf Deutsch: »Wenn es Sophia de Cologne nicht zuviel Mühe macht …«
Ich rang nach Luft. Niemals hätte ich mir so etwas erträumt. Ich machte einen tiefen Knicks und sagte: »Nichts könnte mir mehr Freude bereiten!«
Ohne zu zögern, fügte Vater hinzu: »Majestät, es ist eine große Ehre für meine Tochter, der zukünftigen Herzogin von Sachsen zu Diensten zu sein.«
Und so kam es, daß ich zwei Wochen lang jeden Tag im Schloß der Königin von England ein und aus ging. Mit dem ersten Morgengrauen stand ich auf, aß rasch eine Schale Grütze und trank einen Becher Milch, dann brachten mich Theoderich, Heinrich oder Helperich zum Schloß. Aber so früh ich auch kam, die Prinzessin war jedesmal schon auf und erwartete mich. Sie bestand darauf, nur deutsch mit mir zu sprechen, obwohl sie noch nach so manchem Wort suchen mußte.
Heute denke ich alte Frau mit Wehmut an diese Tage zurück. Es war die erste große Zeit in meinem jungen, behüteten Leben. Du wunderst dich, mein liebes Kind, daß ich mich an eine Aufgabe wagte, für die ich nicht ausgebildet war? Tatsächlich hatte die Königin genügend Erzieher und Lehrer für ihre Kinder am Hof; aber es waren alles Priester, und keiner von ihnen hatte je in Deutschland gelebt.
Ich überlegte mir jeden Tag, was wir lernen sollten; schließlich beschäftigte sich eine Prinzessin mit anderen Dingen als eine Kaufmannstochter, nur wußte ich nicht so genau, mit welchen. Aber da sie sich so sehr auf ihren künftigen Gemahl freute, brachte ich ihr als allererstes bei, wie sie liebreich mit ihm sprechen konnte. Ich rief mir also ins Gedächtnis, was Gerard alles zu mir gesagt hatte, und stellte mir vor, daß der mächtige Herzog seine Braut ebenso umwerben würde. Ich vermutete, daß er nicht so redete wie wir normalen Leute, sondern eine höfische Sprache benutzte. Das übten wir mit verteilten Rollen, ich war Herr Heinrich und Mathilde war eben Mathilde.
»Herzensliebes Fräulein, ich entbiete Euch meinen Gruß«, begann ich. Dann schüttelte ich den Kopf. »Nein, es muß natürlich heißen: Herzensliebe Prinzessin.«
»Was muß ich jetzt sagen?« fragte Mathilde.
»Zum Beispiel: Herr Heinrich, Euer Anblick erfreut mein Herz.«
»Oh!« Mathilde strahlte. »Das ist gut. Herr Heinrich, Euer Anblick erfreut mein Herz.«
Ich schaute mich um, entdeckte eine Blumenvase und zog eine Blüte heraus.
»Nehmt diese Rose als Zeichen meiner Verehrung«, rief ich aus, kniete vor Mathilde nieder und hielt ihr die Blume entgegen.
»Das ist aber keine Rose«, sagte Mathilde. »Es ist …« sie kannte jedoch das Wort nicht.
Ich erhob mich. »Es ist eine Aster. Um diese Jahreszeit gibt es keine Rosen mehr«, meinte ich. »Aber wenn ein Mann eine Frau mit einer Blume beschenkt, sollte es eben eine Rose sein. Und die Dame seines Herzens sollte nicht mäkeln, falls es die falsche Blume ist.« Dann lachten wir beide, und Königin Alienor kam herein und sah nach, worüber wir uns so freuten.
Am nächsten Tag lehrte ich Mathilde das Paternoster und das Ave Maria in deutscher Sprache, und sie betete den ganzen Tag, um sich die schwierigen Texte einzuprägen.
Dann kam mir in den Sinn, daß Heinrich als großer Kriegsmann von Kind auf an das Waffenhandwerk gewöhnt war, und ich lehrte Mathilde alle Waffen in seiner Sprache. »Falls Ihr ihm seine Rüstung herauslegen sollt«, meinte ich. Mathilde glaubte zwar, dies sei eher die Aufgabe seines
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