0466 - Straße der toten Männer
»Wir haben im Mary Park eine Leiche gefunden«, sagte mir der Captain des Reviers am Telefon. »Die Mordkommission ist schon benachrichtigt, aber ich kann mir denken, daß es auch Sie interessiert. Der Mann hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Ernie Brooks. Den suchen Sie doch?«
Eine Minute später tauchten wir mit dem Jaguar in den quirlenden Verkehr der Rush-Hour. Aber nicht nur wegen des dichten Verkehrs auf der Lexington-Avenue war die Fahrt eine Quälerei, sondern auch wegen des Vergasers.
»Du solltest doch lieber wieder Benzin tanken«, grinste Phil, als cs wieder einmal so aus dem Auspuff knallte, daß sich die Leute zu uns umdrehten. »Wasser mag ja billiger sein, aber…«
Ich muß nicht gerade freundlich ausgesehen haben, deshalb zog es Phil vor, den Satz nicht zu vollenden.
Mit einiger Mühe kamen wir noch bis zum Mary Park. Ein paar Stadtpolizisten hielten dort die Neugierigen fern. Ein Sergeant erwartete uns bereits. »Captain Driver hat mich beauftragt, Ihnen zur Verfügung zu stehen.«
Wie ein Zeremonienmeister ging er vor uns her und meldete uns zackig bei der Mordkommission: »Die Herren vom FBI, Lieutenant!«
Lieutenant Jackemoon, ich hatte ihn schon früher einmal kennengelernt, grinste mich an. »Seit wann«, fragte er, »interessieren Sie sich für einen simplen Herzschlagtoten?«
Jackemoon hatte recht. Der Mann, der dort neben der Bank lag, war eines natürlichen Todes gestorben. Der Arzt bestätigte es gerade. Außerdem hatte der Tote keinerlei Ähnlichkeit mit Ernie Brooks. Er war einen halben Fuß kleiner und dafür mindestens zwanzig Jahre älter.
»Gehen wir wieder«, sagte ich zu Phil, nachdem ich ein paar Worte mit Jackemoon gewechselt hatte. Der Sergeant vom Revier stand wie eine Salzsäule. »Soll ich dem Captain was ausrichten, Sir?« fragte er.
»Ja«, sagte ich, »bitten Sie Ihren Captain, meinen Jaguar zu unserer Werkstatt schleppen zu lassen. Ein Vergaser patscht, wahrscheinlich Wasser drin.«
»Yes, Sir! Brauchen Sie einen Wagen, Sir?«
»Nein, danke«, sagte ich nach kurzem Überlegen. Irgendwie hatte ich plötzlich Lust, mal wieder mit der Subway zu fahren.
»Hat dich der Herzschlag so beeindruckt, daß du dich jetzt für häufigere Spaziergänge entschlossen hast?« fragte Phil, als wir langsam die 149. Straße entlangschlenderten.
»Ein Spaziergang soll ganz gut sein.«
Wir schlenderten zur Subway-Station an der Ecke 149th und 3rd Avenue. Tausende von Fußgängern verschwanden vor uns im Schacht, tausende tauchten daraus auf.
Und dann geschah es.
»Jerry…« sagte Phil nur, und der Tonfall seiner Stimme verriet fassungsloses Erstaunen. Ich schaute Phil an, sah seine Augen auf einen bestimmten Punkt gerichtet.
Fünf Schritte vor uns stand Ernie Brooks, der vor einer knappen Stunde Totgesagte. Für einen Sekundenbruchteil hatte ich das Fernschreiben aus San Francisco vor dem geistigen Auge: »…brooks, ernie eward, geboren 19.july 1929 in pasadena, zuletzt wohnhaft in san francisco, gesucht wegen zweier raubmorde — liegen sichere hinweise vor, daß der gesuchte sich nach new york abgesetzt hat — besteht der dringende verdacht, daß brooks dort anschluß an gangsterkreise sucht — Vorsicht, macht rücksichtslos von der Schußwaffe gebrauch…«
»Hallo, Ernie!« sagte ich.
Brooks fuhr herum. »Was willst du?« fragte er mich verdutzt.
Phil, der seitlich hinter ihm stand, antwortete: »Nichts weiter, wir wollen Sie nur ein wenig verhaften!«
»Idiot…« knurrte Brooks. Aber dann wurde er wach, erkannte die so unvermittelt aufgetauchte Gefahr. Er machte eine hastige Bewegung. Doch Phil hatte aufgepaßt. Mit einem Griff packte er den Mann, der mit seiner Reaktion unsere Vermutung hinsichtlich seiner Identität bestätigt hatte, am rechten Handgelenk und schleuderte ihn herum. Brooks machte eine Abwehrbewegung, die mir zustatten kam. Ich konnte seinen noch freien Arm fassen, und er saß fest wie in einer Zwangsjacke.
Doch dann reagierte er geradezu teuflisch.
»Hilfe!« brüllte er los. »Hilfe! Kidnapping!«
Mit einem Schlag erstarrte die Menschenmasse um uns herum.
Und dann krachte mir von hinten eine Aktentasche auf den Kopf, ein Fausthieb traf mich in die Seite. Ich sah, daß es Phil nicht besser erging. »FBI…«, keuchte ich, doch ein zwar dilettantischer, aber wirksamer Schlag traf mich mitten ins Gesicht. Ich spürte, wie sich Brooks meinem Griff entziehen konnte, dann sah ich einen Moment nur noch Mantelstoffe, Hüte, Schirme und
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