Die Tuchhaendlerin von Koeln
überfallen werden. Und er geht ja nicht auf einen Kriegszug, sondern nur auf eine friedliche Pilgerfahrt. Nichts kann mich davon zurückhalten, ihn zu begleiten. Eine solche Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen, schließlich bin ich ein Kaufmann.«
»Und ein abenteuerlustiger dazu, wie ich merke. Es ist ja auch nur, weil ich dich sehr vermissen werde.«
Da lachte Gottschalk, faßte mich um die Taille und wirbelte mich übermütig rundherum.
Zwei Tage später ging er ins Rathaus, wo die Schreinsbücher verwahrt wurden, und ließ den halben Keller in seinem Elternhaus, seinen einzigen Besitz, auf mich überschreiben, für den Fall, daß er nicht von seiner Reise zurückkehren solle.
»Du mußt wissen, Sophia«, sagte er zu mir, »Vater und ich haben eisern gespart und jedes Silberstück zusammengekratzt, und wir haben nicht nur sämtliche Schulden von der Byzanzreise abbezahlt, sondern auch schon Geld für das nächste große Ziel zurückgelegt. Es ist ja beileibe nicht so, als wären wir arme Schlucker; wir haben nicht nur unser Haus, sondern auch sonst noch Besitz in Köln. Aber am wichtigsten ist unser Ansehen bei der übrigen Kaufmannschaft, unseren guten Namen durften wir auf keinen Fall verlieren. Darum war es am dringendsten, möglichst schnell niemandem mehr etwas zu schulden. Meine Mutter hat nun ihren gutbetuchten Brüdern ihr Kindteil verkauft, und all das stecken wir jetzt in diese Handelsfahrt. Wenn ich lebend zurückkomme, sind wir wieder reich und da angelangt, wo wir hingehören. Ich will dir etwas bieten können, Sophia. Und du paß mir nur schön auf die beiden prächtigen Söhne auf, die du mir geboren hast, und auch auf das Kind, das du nun trägst.«
Mir verschlug es die Sprache. Davon hatte ich ihm noch gar nichts gesagt. Aber Gottschalk hatte immer einen scharfen Blick und merkte alles schneller als andere Leute.
»Wie lange wirst du fort sein?« fragte ich beklommen.
Gottschalk zuckte unbekümmert die Schultern.
»Ein Jahr vielleicht? Oder auch etwas länger?«
Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Ein Jahr, das scheint lang, wenn man jung ist. Ein Jahr Trennung, das ist endlos, wenn man liebt. Erst jetzt, wo ich alt bin, geht jedes Jahr schnell wie im Traum dahin.
»Darf ich deine Planung sehen?« fragte ich.
Gottschalk lachte. »Ich habe mir schon gedacht, daß du erst einmal nachprüfen möchtest, ob ich auch richtig geplant habe, meine kleine Rechenkünstlerin«, spottete er. Aber er setzte sich dennoch mit mir hin und zeigte mir seine Berechnungen. Ich stellte fest, daß sie solide waren, aber knapp. Als ich eine Bemerkung fallenließ, wurde Gottschalk ungnädig.
»Jetzt komm mir nicht wieder mit deiner Mitgift. Dein Vater hat dafür gesorgt, daß ich sie nicht vergeuden kann, und dabei soll es auch bleiben.«
Ich dachte nach. »Aber das Haus, das ich von meinem Bruder Hildebrand geerbt habe, das kann ich jetzt verkaufen. Winand von der Salzgasse hat schon ein paar Mal sein Interesse bekundet.«
Meine Mutter hatte noch vor ihrer Hochzeit mit meinem Vater ein Geschäftshaus in guter Lage auf Hildebrands Namen gekauft. Falls ihr etwas zustoßen sollte, dann hätte er von den Einnahmen daraus leben können und wäre wenigstens finanziell nicht auf Wohltaten angewiesen. Als Hildebrand starb, ließ sie das Haus gleich auf mich übertragen.
»Ich brauche dein Geld nicht«, lehnte Gottschalk noch einmal ab.
Aber ich ließ nicht locker.
»Du sollst damit ja auch Geschäfte zu meinen Gunsten machen. Nimm das Geld mit, und vermehre es für mich. Da wir viele Kinder haben werden, müssen wir beizeiten einen Grundstock legen.«
Gegen dieses Argument war der Kaufmann Gottschalk machtlos, und so verkaufte ich das Haus zu einem üppigen Preis, Winand zahlte mir mehr, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Nun mußte ich mir keine Sorgen mehr machen, daß mein Mann in finanzielle Not käme.
Gottschalk bereitete diese große Reise mit äußerster Sorgfalt vor. Er besprach sich gründlich mit seinem Vater und mit den Männern meiner Familie, besonders meinem Vater, Großvater Eckebrecht und Onkel Fordolf. Ich war sehr froh, daß mein Vetter Helperich sich auch der Kaufmannsgruppe anschloß, die Herzog Heinrich begleiten wollte. Eigentlich wäre das die Aufgabe seines Bruders Constantin gewesen; aber dessen junge Frau Elizabeth erwartete ihr erstes Kind, und nichts auf der Welt konnte Constantin von ihrer Seite reißen. Unsere ganze Familie staunte jeden Tag aufs neue über
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