Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
von London die Themse hinauftransportierten, und die Tiere persönlich zu ihren neuen Eigentümern geführt hatte, konnte er auf Anhieb meine Fragen über den Palast beantworten. Und nicht nur das. Er wusste sogar zu berichten, dass der Greenwich Palace – wie die meisten der von den Tudors bevorzugten Residenzen – auf den Überresten einer verfallenen Burg errichtet worden war. Als ich das hörte, erkundigte ich mich natürlich sofort nach den Geheimgemächern und deren Zugängen.
»Die Gentlemen of the Privy wachen über diese Gemächer«, klärte mich Peregrine auf, als wir in den inneren Burghof traten. »Sie haben die Aufgabe, die Galerie zu den königlichen Gemächern zu sichern und jedem Unbefugten den Zugang zu verwehren. Natürlich kann man auch sie bestechen, aber das zu versuchen ist nicht ungefährlich. Verrät ein Gentleman of the Privy den König, kann ihn das leicht seine Stellung und den Kopf kosten, je nachdem, wie wütend der König darüber ist.«
»Kennst du irgendwelche von Edwards Leibdienern?«
»Du kennst einen. Dein Herr, Lord Robert, gehört dazu.«
»Ich meine, einen, dem wir trauen können.«
Er überlegte. »Da wäre Barnaby Fitzpatrick. Er ist seit frühester Kindheit mit dem König befreundet. Hin und wieder hat er Edward in die Stallungen begleitet. Er hat nie viel geredet, sondern hat einfach nur dagestanden und über Edward gewacht. Allerdings weiß ich nicht, ob er noch im Palast ist. Ich habe gehört, dass die meisten von Edwards Vertrauten wegen seiner Erkrankung verbannt worden sein sollen. Angeblich hätten sie Seine Majestät einer Ansteckung ausgesetzt, obwohl er mir noch ganz gesund erschien, bevor ihn der Herzog in die Finger bekam.«
»Peregrine, du bist eine wahre Goldmine, was Wissen betrifft.« Ich setzte meine Kappe auf. »Wenn du je auf die Idee kommst, mich zu verraten, bin ich verloren.«
Er bedachte mich mit einem enttäuschten Blick. »Soll ich Barnaby suchen? Vielleicht kennt er einen zweiten Zugang zu den Geheimgemächern, oder willst du nun doch nicht dort rein?«
Verstohlen blickte ich über die Schulter. Im selben Moment erkannte ich, dass das Ausspähen der Umgebung bei mir zur zweiten Natur geworden war. »Sprich leise. Doch, ja, Fitzpatrick könnte nützlich sein. Such ihn, aber verrate ihm nichts. Ich weiß nicht, wo du mich antreffen wirst, aber …«
»Ich werde dich finden. Das ist mir ja schon einmal gelungen. So groß ist Greenwich schließlich nicht.«
Ich nickte. »Dann viel Glück. Aber was immer du tust, halte dich von Ärger fern.«
In seiner Ausstattung für den Stalldienst, wenn auch ohne die Schürze, jagte Peregrine durch den Hof und eine Treppe hinauf. Ein Stoßgebet für seine Sicherheit flüsternd, marschierte ich in die entgegengesetzte Richtung, wo sich der Flügel für die adeligen Herrschaften befand. Ich hatte mich entschlossen, den Sattel und mein Gepäck in einem von Stroh bedeckten Versteck in Cinnabars Nähe zu lassen, wo niemand es stehlen konnte, ohne zertrampelt zu werden. Bei aller Gutmütigkeit hatte mein Pferd etwas gegen Fremde, die seine Box durchsuchten. Nur meinen Dolch hatte ich mitgenommen, der sich gut im Stiefel unterbringen ließ, sodass ich mich frei von jeder Last bewegen konnte.
In den Gängen war es ruhig. Mir gegenüber entdeckte ich eine Reihe identischer Türen, die teils geschlossen, teils weit offen waren. Ich hätte Robert fragen sollen, welche davon seine Kammer war, hielt ich mir vor. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als mein Glück mit den Riegeln zu versuchen und in die Kammern zu spähen. Sie waren ähnlich geschnitten und durch einen Leder- oder ausgebleichten Stoffvorhang in einen kleinen Vorderraum und eine Schlafkammer unterteilt. Von Letzteren waren ein paar sogar mit primitivem Abort ausgestattet. Wie im Whitehall-Palast waren die Wände weiß getüncht und die Holzdielen schmucklos. Die karge Einrichtung der Kammern – Hocker oder Holzbank, Tisch, abgenutztes Bett oder Liege auf wackeligen Füßen – war zweckdienlich, nicht mehr. Für höfische Verhältnisse waren die Kammern nicht luxuriös, aber wenigstens frei von Flöhen, Nagern und den in den Burgen überall ausgestreuten, süßlich riechenden Binsen.
Es bedurfte mehrerer Versuche, bis ich Roberts Gemach am hinteren Ende dank seiner Satteltasche und eines aus Whitehall mitgebrachten Lederbeutels identifizieren konnte. Sein mit Schlamm bespritzter Reitumhang hing schief über einer Stuhllehne, als hätte er ihn in
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