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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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weinend.
    „Ich habe sie angebettelt, dir eine Chance zum Frieden zu geben, aber du hast mir das Geschenk ins Gesicht geworfen …“
    „Der Frieden des Eunuchen, der Frieden der Lobotomie, Lotus und Thorazine“, sagte ich. „Nein, da ist es schon besser, wenn sie ihren Willen gegen den meinen setzen und wenn ihre Wahrheit ihre Lüge gebiert, so wie sie es tut.“
    „Kannst du das wirklich sagen und es auch glauben?“ sagte sie. „Hast du schon die Sonne des Kaukasus vergessen – den Geier, der deine Seite Tag nach rotem Tag aufreißt?“
    „Das vergesse ich nicht“, sagte ich, „aber ich verfluche sie. Ich werde gegen sie sein, mich ihnen widersetzen, bis ans Ende des Wann und Wo, und eines Tages werde ich siegen.“
    „Ich liebe dich“, sagte sie.
    „Wie kannst du das sagen und es glauben?“
    „Du Narr!“ hallte ein Chor von Stimmen, und man legte mich auf diesen Felsen in dieser Höhle und kettete mich an.
    Den ganzen Tag lang spuckt eine angebundene Schlange Gift in mein Gesicht, und sie hält eine Pfanne, um es aufzufangen. Nur dann, wenn die Frau, die mich verraten hat, jene Pfanne ausleeren muß, spuckt die Schlange mir in die Augen, und dann schreie ich.
    Aber ich werde wieder freikommen und werde mit meinen vielen Gaben der leidenden Menschheit helfen, und an jenem Tage, an dem meine Gefangenschaft endet, wird ein Zittern durch die Welt gehen. Bis dahin kann ich nur ihre zarten Finger an jener Pfanne sehen und jedesmal schreien, wenn sie sie wegnimmt.

 
     
Der Mann, der die Faioli liebte
    (The Man Who Loved the Faioli)
     
    Dies ist die Geschichte von John Auden und den Faioli, und keiner kennt sie besser als ich. Hört …
    Es geschah an jenem Abend, als er zu seinen liebsten Plätzen auf der Welt schlenderte (denn es gab keinen Grund, nicht zu schlendern), daß er die Faioli in der Nähe der Schlucht der Toten sah, wie sie auf einem Felsen saß und ihre Schwingen aus Licht flimmerten, flimmerten, flimmerten – und dann waren sie verschwunden, bis es schien, als säße ein menschliches Mädchen dort, ganz in Weiß gekleidet, und weinte, das lange, schwarze Haar um die Hüften geschlungen.
    Er trat durch das schreckliche Licht der sterbenden, halbtoten Sonne auf sie zu, jenes Licht, in dem menschliche Augen keine Entfernung unterscheiden und auch die Perspektive nicht richtig erfassen konnten (obwohl sein Auge das konnte), und legte seine rechte Hand auf ihre Schulter und sprach ein Wort des Grußes und des Mitleids.
    Doch es war, als gäbe es ihn nicht. Sie fuhr fort zu weinen, und es floß silbern über ihre Wangen, die die Farbe von Schnee oder Bein hatten. Ihre Mandelaugen blickten nach vorn, als sähen sie durch ihn hindurch, und ihre langen Fingernägel gruben sich in das Fleisch ihrer Hände, wenn auch kein Blut floß.
    Dann wußte er, daß es Wahrheit war, daß die Dinge stimmten, die man von den Faioli sagt – daß sie nur die Lebenden sehen und nie die Toten und daß sie zu den lieblichsten Frauen geformt werden, die es im ganzen Universum gibt. Und da John Auden selbst tot war, überlegte er eine Weile, wie es wohl sein würde, wieder ein lebender Mensch zu werden.
    Es war bekannt, daß die Faioli im Monat vor seinem Tode zu einem Menschen kamen – jenen seltenen Menschen, die noch sterben – und daß sie jenen letzten Monat seiner Existenz mit solch einem Menschen lebten und ihm jedes Vergnügen bereiteten, das ein menschliches Wesen kennen kann, so daß an jenem Tage, wenn ihm der Kuß des Todes aufgedrückt wird, jener Kuß, der das verbleibende Leben aus seinem Körper saugt, jener Mann ihn hinnimmt – nein, ihn sucht –, voll Begierde, denn der Art ist die Macht der Faioli unter allen Geschöpfen, daß nach diesem Wissen nichts mehr übrigbleibt, was er begehrt.
    John Auden überdachte sein Leben und seinen Tod und den Zustand der Welt, auf der er stand, und seinen Fluch und die Faioli – die das lieblichste Geschöpf war, das er in all den vierhunderttausend Tagen seiner Existenz gesehen hatte –, und er berührte die Stelle unter seiner linken Achselhöhle, die den notwendigen Mechanismus auslöste, der ihn wieder lebendig machte.
    Das Wesen wurde unter seiner Hand steif, dann plötzlich war das Wesen Fleisch, und das, was er berührte, war Fleisch, warm und angefüllt mit Frau, jetzt, da die Gefühle des Lebens in ihn zurückgekehrt waren. Er wußte, daß seine Berührung wieder die eines Mannes geworden war.
    „Ich habe gesagt: ‚Hallo, weine nicht’“,

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