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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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mächtig dafür angestrengt. Drei Monate im Amt, den Rest der zweijährigen Amtszeit hatte ich übernehmen müssen. Auf dem Totenschein stand ‚Herzversagen’. Aber da war nichts von dem Stück Blei erwähnt, das mitgeholfen hatte, die Dinge etwas zu verlangsamen. Alle, die daran beteiligt waren, sind jetzt tot; der wütende Ehemann, die verängstigte Frau, der Leichenschaubeamte.
    Alle, außer mir. Und wenn Wyeths Statue es niemandem verrät, werde ich es auch nicht tun, denn jetzt ist er ein Held, und wir brauchen Heldenstatuen, mehr noch als wir Helden brauchen. Damals als Butler Town überflutet wurde, hatte er gute Arbeit geleistet, und dafür sollen sich die Leute ruhig an ihn erinnern.
    Ich zwinkerte meinem alten Chef zu, und der Regen tropfte ihm von der Nase und fiel in die Pfütze zu meinen Füßen.
    Dann ging ich durch die grellen Blitze zur Bibliothek zurück, hörte das Klatschen der Säcke und die Flüche der Arbeiter, als die Männer anfingen, eine weitere Straße zu blockieren. Über mir schwebte schwarz ein Auge vorbei. Ich winkte, und das Filter klappte auf und wieder zu. Ich glaube H.C. John Keams hatte an diesem Nachmittag Dienst, aber ich bin nicht sicher.
    Plötzlich öffneten sich die Himmel weit, und es war gerade, als stünde ich unter einem Wasserfall. Ich griff nach einer Wand, aber da war keine, glitt aus und konnte mich gerade noch mit dem Stock abstützen, sonst wäre ich hingefallen. Ich fand eine Türnische und duckte mich hinein.
    Zehn Minuten Blitz und Donner folgten. Dann, als meine Blindheit und Taubheit allmählich verging und die Regen etwas nachließen, sah ich, daß die Straße zu einem Fluß geworden war; vollgeladen mit aller Art von Müll. Zeitungen, Hüte, Stöcke und Schlamm gurgelten an meiner Nische vorbei. Das Wasser war bis über meine Stiefelkappen gestiegen, und ich wartete, daß es zurückging.
    Aber es tat mir diesen Gefallen nicht.
    Vielmehr kam es zu mir in die Türnische hinein und fing an, mit mir zu spielen.
    Also, es hatte keinen Sinn mehr zu warten. Besser würde es bestimmt nicht werden.
    Ich versuchte zu rennen, aber wenn man die Stiefel voll Wasser hat, kann man bestenfalls waten. Und meine Stiefel waren nach drei Schritten voll!
    Damit war der Nachmittag beim Teufel. Wie kann man sich auch mit nassen Füßen auf irgend etwas konzentrieren? Ich schaffte es zurück zum Parkplatz und bahnte mir dann den Weg nach Hause durch die Fluten, wobei ich mir wie ein Flußkapitän vorkam, der es vorgezogen hätte, Kameltreiber zu sein.
    Es schien eher abends als nachmittags zu sein, als ich in meiner feuchten, aber noch nicht überfluteten Garage hielt. In der Gasse, die zum Hintereingang meiner Wohnung führte, schien es mir eher wie Nacht als Abend. Ich hatte die Sonne schon ein paar Tage nicht mehr gesehen, und es ist wirklich komisch, wie man sie vermißt, wenn sie einmal Urlaub nimmt. Der Himmel war wie eine dunkle Kuppel, und die hohen Ziegelmauern der Häuser waren trotz der lang en Schatten sauberer, als ich sie je zuvor gesehen hatte.
    Ich blieb dicht an der linken Wand, um wenigstens einem Teil des Regens zu entgehen. Als ich am Fluß entlanggefahren war, hatte ich bemerkt, daß er bereits die Hochwassermarken am Pier erreicht hatte. Der Noble war eine große mißratene Blutwurst, jeden Augenblick bereit, aus der Haut zu platzen. Ein greller Blitz zeigte mir die ganze Straße, und ich verlangsamte meine Schritte, um den Pfützen auszuweichen.
    Ich arbeitete mich weiter voran, dachte an trockene Socken und einen trockenen Martini und bog gerade nach rechts um die Ecke, als er nach mir schlug: ein Org.
    Die Hälfte seines in Segmente geteilten Leibes war in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel aufgerichtet, so daß sein breiter Kopf mit den Verkehrsampelaugen, die ‚halt’ sagten, etwa ein Meter über dem Boden stand. Das Biest kam auf seinen blassen kleinen Beinen auf mich zugerollt, den Mund voll Tod auf meine Mitte gerichtet.
    Ich unterbreche jetzt meine Erzählung, um einen kurzen Bericht über meine Kindheit zu geben, die, wenn Sie die Umstände berücksichtigen, im Augenblick ganz frisch in meiner Erinnerung war.
    Auf der Erde geboren, herangewachsen und zur Schule gegangen, hatte ich zwei Sommer lang in einem Viehpferch gearbeitet, während ich noch die Oberschule besuchte. Ich erinnere mich noch ganz deutlich an den Geruch und den Lärm, den die Tiere machten; ich mußte sie immer mit einem „Stachel“ aus den Pferchen und auf den Weg zum

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