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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Schlachthaus treiben. Und ich erinnere mich auch an die Gerüche und den Lärm an der Universität: das Formaldehyd in den Biologielabors, die Schüler, die unregelmäßige französische Verben massakrierten, den überwältigenden Dunst von Kaffee, in den sich Zigarettenrauch mischte, die Kirchenglocken und der Geruch des Rasens, wenn er zum ersten Mal gemäht wurde (und Andy hockte groß und schwarz auf seinem grasverschlingenden Monstrum, die Baseballmütze bis zu den Augen heruntergezogen und die Zigarette im Mundwinkel, die es irgendwie fertigbrachte, seine linke Wange nicht zu verbrennen), und immer das Tick-tack, Tick-tack und Wumm, wenn ich den Weg hinunterging. Ich hatte Turnen eigentlich nicht belegen wollen, aber vier Semester wurden verlangt. Die einzige Möglichkeit, ihm zu entgehen, war, einen speziellen Sport zu belegen. Ich wählte Fechten, weil Tennis, Basketball, Boxen, Ringen, Handball und Judo alles zu anstrengend klang und ich mir keine Golfschläger leisten konnte. Dabei ahnte ich nicht, was diese Wahl für Folgen haben würde. Fechten war ebenso anstrengend wie jede der anderen Disziplinen, sogar anstrengender als manche davon. Aber es gefiel mir. Also versuchte ich, in meinem letzten Jahr in das Team zu kommen, schaffte es mit dem Degen und bekam sogar ein paar Preise. Und das beweist eines: Rinder, die sich einen bequemen Ausweg suchen, enden trotzdem im Schlachthof, aber vielleicht haben sie etwas mehr Spaß dabei.
    Als ich hier auf einer Grenzwelt landete, wo die Leute alle Waffen tragen, ließ ich mir meinen Stock anfertigen. In ihm sind die besseren Eigenschaften des Degens und des Stachels vereint, mit dem man das Vieh antreibt. Nur ist es eine Art von Stachel, wie man ihn zum Viehtreiben nicht benutzen würde, denn sonst würden die Rinder sich nie mehr rühren.
    Mehr als achthundert Volt, wenn einen die Spitze berührt, vorausgesetzt, daß man den Knopf im Handgriff richtig niederdrückt …
    Mein Arm schoß vor, und meine Finger drückten den Knopf richtig nieder.
    Damit war es Schluß mit dem Org.
    Ein seltsamer Laut entrang sich den Reihen von Rasierklingen in seinem Maul, als ich seinen weichen Unterleib berührte. Als ich ihm noch einen Hieb in die Seite versetzte, kam nur noch ein kläglicher Laut, der wie ein „piep“ klang, und der Org war bei seinen Ahnen gelandet. (Org bedeutet übrigens „Organismus-mit-einem-langen-Namen-an-den-ich-mich-nicht-erinnem-kann“.)
    Ich schaltete meinen Stock ab und ging um das Biest herum. Das war eines dieser Monstren, die manchmal aus dem Fluß kommen. Ich erinnere mich, daß ich mich dreimal danach umsah, dann schaltete ich den Stock wieder auf Maximalleistung, bis ich in meiner Wohnung die Tür hinter mir abgesperrt und alle Lichter eingeschaltet hatte.
    Dann gestattete ich mir ein langes Zittern, und nach einer Weile wechselte ich die Socken und mixte mir einen Drink.
    Samstag.
    Noch mehr Regen.
    Nässe, sonst nichts.
    Die ganze Ostseite war mit Sandsäcken abgesichert worden. An einigen Stellen dienten sie nur dazu, sandige Wasserfälle zu bilden, die Ströme wären sonst vielleicht etwas gleichmäßiger und möglicherweise etwas klarer geflossen. An anderen Orten hielten sie das Wasser sogar eine Weile zurück.
    Aber dann gab es sechs Todesfälle als direkte Folge des Regens.
    Außerdem gab es Feuer durch Blitze, Wasserunfälle, Erkrankungen wegen der Feuchtigkeit und der Kälte.
    Auch zu Plünderungen war es schon gekommen.
    Alle waren müde, verärgert und naß. Ich auch.
    Wenn auch Samstag war, so ging ich doch zur Arbeit. Ich arbeitete jetzt auch in Eleanors Büro mit. Wir breiteten die große Reliefkarte auf einem Tisch aus und hatten sechs tragbare Bildschirme an der Wand aufgereiht. Sechs Augen schwebten über dem halben Dutzend Gefahrenpunkten und hielten uns auf dem laufenden. Ein paar neue Telefone und ein großes Radio standen auf dem Schreibtisch. Fünf Aschenbecher sahen so aus, als wollten sie geleert werden, und der Kaffeetopf gurgelte zynisch in der Ecke.
    Der Noble hatte jetzt beinahe die Hochwassermarke erreicht. Wir waren keineswegs ein isoliertes Sturmzentrum. Stromaufwärts litt Butler Town genauso darunter. Swans Nest war dem Untergang geweiht. Laurie weinte in den Fluß, und die Wildnis dazwischen zitterte und strömte.
    Obwohl wir direkten Kontakt hatten, gingen wir an diesem Morgen dreimal nach draußen. Einmal, als die Nord-Südbrücke über dem Lance River zusammenbrach und stromabwärts bis zur Stromboje bei

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