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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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den Mack-Stahlwerken gespült wurde; dann noch einmal, als der Wildwoodfriedhof, der auf einem sturmzerzausten Hügel im Osten lag, tief aufgepflügt wurde, so daß die Gräber sich öffneten und ein paar Särge davonschwammen; und zum drittenmal, als weit im Osten drei Häuser über ihren Bewohnern zusammenbrachen. Eleanors kleiner Flieger wurde von den Winden hin- und hergerissen, als wir eine Inspektion an Ort und Stelle versuchten; ich navigierte, fast ausschließlich mittels der Instrumente. Die eigentliche Innenstadt wimmelte bis dahin bereits von Evakuierten. Ich duschte an diesem Morgen dreimal und zog mich zweimal um.
    Am Nachmittag beruhigten sich die Dinge etwas, auch der Regen. Die Wolkendecke riß nicht auf, aber immerhin wurden die Regentropfen etwas kleiner, und das verschaffte uns eine Atempause. Die Stützmauern wurden verstärkt, Evakuierte mit Nahrung versorgt und etwas Schutt beseitigt. Vier der sechs Augen wurden wieder auf Patrouille geschickt, weil vier von den Gefahrenpunkten aufgehört hatten, Gefahrenpunkte zu sein.
    … und wir brauchten sämtliche Augen für die Orgpatrouillen.
    Auch die Bewohner des überschwemmten Waldes waren unterwegs. Sieben Schnapper und ein Rudel Pandas wurden an diesem Tag abgeschossen, ebenso wie ein paar gefährliche Kriechtiere, die aus den aufgewühlten Wassern des Noble stiegen.
    Gegen 19.00 Uhr schien es, daß wir die Situation in der Hand hätten. Eleanor und ich stiegen in ihren Flieger und brausten ab.
    Immer höher ging es. Schließlich vernahmen wir ein Zischen, als die Kabine anfing, Druck aufzubauen. Rings um uns war Nacht. Eleanors Gesicht wirkte im Licht des Instrumentenbrettes wie eine starre müde Maske. Sie hob die Hände an die Schläfen, wie, um diese Maske abzunehmen, und als ich sie wieder ansah, hatte es den Anschein, als hätte sie eben das getan. Ein schwaches Lächeln spielte um ihre Lippen, und ihre Augen funkelten.
    „Wohin bringen Sie mich denn?“ fragte sie.
    „Hoch hinaus“, sagte ich. „Über den Sturm hinweg.“
    „Warum?“
    „Weil es schon viele Tage her ist, seit wir freien Himmel gesehen haben“, sagte ich.
    „Stimmt“, nickte sie, und als sie sich vorbeugte, um sich eine Zigarette anzuzünden, sah ich, daß ihr Scheitel ganz durcheinander war. Ich wollte schon die Hand ausstrecken und ihr Haar glätten, ließ es dann aber bleiben.
    Wir stürzten uns in das Meer der Wolken.
    Der Himmel war dunkel und ohne Mond. Die Sterne funkelten wie zerbrochene Diamanten. Die Wolken waren ein Meer aus Lava.
    Wir trieben dahin. Wir starrten in den Himmel. Ich verankerte den Flieger wie ein Auge, das man in der Luft stehen läßt, und zündete mir selbst eine Zigarette an.
    „Sie sind älter als ich“, sagte sie schließlich, „wirklich, wissen Sie das?“
    „Nein.“
    „Es gibt eine gewisse Weisheit, eine gewisse Kraft, so etwas Ähnliches wie das Wesen der Zeit, die verstreicht. All das erfüllt einen Menschen, wenn er zwischen den Sternen schläft. Ich weiß das, weil ich es spüren kann, wenn ich bei Ihnen bin.“
    „Nein“, sagte ich.
    „Dann liegt es vielleicht daran, daß die Leute von Ihnen die Kraft von Jahrhunderten erwarten.“
    „Nein.“
    Sie lachte leise.
    „Das ist auch nicht unbedingt etwas Positives.“
    Ich lachte.
    „Sie haben mich gefragt, ob ich mich in diesem Herbst wieder um das Bürgermeisteramt bewerben werde. Meine Antwort ist nein. Ich habe vor, mich zurückzuziehen. Ich möchte eine Familie gründen.“
    „Mit jemand bestimmtem?“
    „Ja, jemand sehr bestimmtem, Juss“, sagte sie und lächelte mir zu, und ich küßte sie, aber nicht zu lange, weil die Asche gerade von ihrer Zigarette fallen wollte und mir in den Kragen.
    Also drückten wir beide Zigaretten aus und schwebten über der unsichtbaren Stadt unter einem Himmel ohne Mond.
     
    Ich habe vorher versprochen, daß ich Ihnen die Geschichte mit den Relaisstationen erklären will. Wenn Sie eine Strecke von hundertfünfundvierzig Lichtjahren zurücklegen wollen und vielleicht hundertfünfzig richtige Jahre dazu brauchen, warum dann eigentlich anhalten und sich die Beine vertreten?
    Nun, zu allererst schläft praktisch niemand die ganze Reise. Es gibt eine Menge kleiner Apparate, die von Zeit zu Zeit von Menschen gewartet werden müssen. Und keiner wird hundertfünfzig Jahre lang allein dort sitzen und auf die Skalen starren. Also macht jeder ein paar Schichten mit, die Passagiere eingeschlossen. Man erklärt jedem einzelnen, was getan werden

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