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Die Türme der Mitternacht

Die Türme der Mitternacht

Titel: Die Türme der Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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dass mehr Licht darauf fiel. Er las ihn schnell, mit dem Gebaren eines Jungen, der Essen vom Wagen eines Straßenverkäufers stahl und sich in den Mund stopfte, bevor man ihn erwischte.
    Lautlos stieß Talmanes einen Fluch aus. Er las den Brief erneut, dann fluchte er lauter. Er schnappte sich sein Schwert, das an der Wand lehnte, und eilte aus dem Zelt. Den Brief hatte er zu Boden fallen lassen.
    Olver betrachtete ihn erneut und sagte die Worte, die er beim ersten Mal nicht verstanden hatte, laut auf.
     
    Matrim,
    Wenn Ihr das hier öffnet, bin ich tot. Ich hatte geplant, innerhalb eines einzigen Tages zu Euch zurückzukehren und Euch von Eurem Eid zu entbinden. Aber meine nächste Aufgabe birgt viele Komplikationen, und es besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass ich sie nicht überlebe. Ich musste wissen, dass ich jemanden zurückließ, der diese Arbeit erledigen kann.
    Glücklicherweise kann ich mich meiner Ansicht nach bei Euch auf eine Sache verlassen, und das ist Eure Neugier. Ich vermute, dass Ihr ein paar Tage lang durchhalten werdet, bevor Ihr diesen Brief öffnet, was mir genug Zeit für eine mögliche Rückkehr lässt, falls das möglich ist. Andernfalls fällt diese Aufgabe an Euch.
    In Caemlyn gibt es ein Tor der Kurzen Wege. Es ist bewacht, verbarrikadiert und als sicher befunden. Das ist es nicht.
    Eine gewaltige Streitmacht Schattengezücht bewegt sich durch die Wege auf Caemlyn zu. Ich vermag nicht zu sagen, wann sie genau aufgebrochen ist, aber es müsste ausreichend Zeit sein, sie aufzuhalten. Ihr müsst zur Königin vordringen und sie dazu überreden, dieses Tor zu zerstören. Das kann man schaffen; es zuzumauern reicht nicht. Falls Ihr es nicht zerstören könnt, muss die Königin diesen Ort von all ihren Streitkräften bewachen lassen.
    Solltet Ihr darin versagen, fürchte ich, dass Caemlyn noch vor Ende des Monats verloren sein wird.
    Ich grüße Euch Verin Mathwin
     
    Olver rieb sich das Kinn. Was war ein Tor der Kurzen Wege? Er glaubte, Mat und Thom davon sprechen gehört zu haben. Zusammen mit dem Brief verließ er das Zelt.
    Talmanes stand direkt vor dem Eingang und sah nach Osten. In Richtung Caemlyn. Ein rötlicher Dunst hing am Horizont, über der Stadt lag ein Glühen. Es war viel größer als in anderen Nächten.
    »Das Licht stehe uns bei«, flüsterte Talmanes. »Sie brennt. Die Stadt brennt.« Er schüttelte den Kopf, als wollte er ihn klarbekommen, dann stieß er einen Ruf aus. »Zu den Waffen! Trollocs sind in Caemlyn. Die Stadt ist im Krieg! Männer, zu den Waffen! Verflucht, wir müssen es in die Stadt schaffen und diese Drachen retten! Sollten sie in die Hände des Schattens fallen, sind wir alle tot!«
    Mit großen Augen senkte Olver den Brief in seiner Hand. Trollocs in Caemlyn? Das würde genau wie die Shaido in Cairhien sein, nur schlimmer.
    Er eilte zurück in Mats Zelt, stolperte über den Teppich und warf sich neben seiner Schlafpritsche auf die Knie. Hastig zerrte er an der Seitennaht der Matratze. Durch die Öffnung drang die Wollfüllung heraus. Er griff hinein, tastete umher und zog das große Messer hervor, das er dort verborgen hatte. Es steckte in einer Lederscheide. Er hatte es von Bergevin stibitzt, einem der Quartiermeister der Bande, als der gerade einmal nicht hingesehen hatte.
    Nach Cairhien hatte sich Olver geschworen, nie wieder ein Feigling zu sein. Er packte das große Messer so fest mit beiden Händen, dass seine Knöchel weiß hervortraten, dann rannte er aus dem Zelt.
    Es war Zeit, zu kämpfen.
     
    Barriga schwankte, als er an einem umgestürzten Baumstamm vorbeikroch. Aus seiner Stirn tropfte Blut zu Boden, und die dunkel gesprenkelten Nesseln schienen es aufzusaugen, sich von seinem Leben zu nähren. Mit zitternder Hand griff er nach der Stirn. Der Verband war durchgeblutet.
    Keine Zeit für eine Rast. Keine Zeit! Er zwang sich wieder auf die Füße und eilte durch die braunen Korianderbüsche. Dabei bemühte er sich, die schwarzen Flecken auf den Pflanzen zu übersehen. Die Fäule, er hatte die Große Fäule betreten. Aber was hätte er sonst tun können? Die Trollocs tobten nach Süden; die Türme waren gefallen. Kandor selbst war gefallen.
    Barriga stolperte und stürzte. Stöhnend wälzte er sich auf den Rücken. Er befand sich in einer Mulde zwischen zwei Hügeln nördlich vom Heeth-Turm. Seine ehemals schöne Kleidung - Mantel und Weste waren aus kostbarem Samt - war zerrissen und blutbefleckt. Er stank nach Qualm, und wenn er die Augen

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