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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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war
zurück
.
    Und trotz seiner Angst und Fassungslosigkeit schoss eine Woge der Freude durch seine Venen, ein Gefühl der Wonne, das ihm bis dahin vollkommen unbekannt gewesen war. Dies war alles nur ein verrückter Traum, es musste einfach so sein. Aber Träume waren jetzt alles, was ihm blieb.
    Mason betrachtete das anmutige rote Holz der von ihm geschaffenen Statue, blickte zu den Geistern, die sich darum versammelt hatten, und zur Ahornbüste, die von Sylva die Vollendung ihres Zaubers forderte.
    Annas Augen öffneten sich und ihre Iriden leuchteten nicht mehr kobaltblau, sondern rot, gelb und orange wie die Farben eines lodernden Feuers.
    Sie erhob sich, doch ihre fleischliche Hülle blieb auf den Brettern liegen. Dort stand sie nun. Als Geist. Aber ihr Körper atmete.
    Sie war auf beiden Seiten gleichzeitig, tot und lebendig.
    »Sie—sie sollte nicht zurückkommen«, wimmerte Sylva und verfiel trotz ihrer neu gewonnenen Jugend wieder in die gewohnte Haltung einer alten Frau. »Du hast sie getötet, genau wie Rachel.«
    »Ich brauche sie«, erwiderte Korban. »Sie ist ein Teil des Hauses. Und nun vollende den Zauber. Ich habe mein Wort gehalten. Margaret ist fort.«
    Annas Mund verzog sich zu diesem wunderbar zarten Lächeln, über ihre Lippen ergoss sich ein Chor von toten Stimmen. »Es ist das
Feuer
, Mason.«
    Er berührte ihre Wange, die glühend heiß war. In ihr steckte also noch menschliche Wärme. »Vertraust du mir?« flüsterte er. So etwas hätte er sonst nur im Traum gefragt. Aber jetzt gab es nichts mehr zu verlieren.
    Vielleicht war das die wahre Kunst, die Schöpfung, die sein aufopferndes Schaffen auch erwidert, das Werk, das sich selbst kreierte. Dies war das bedeutsamste Traumbild von allen.
    »Vielleicht«, sagte Anna. »Das Feuer.«
    Ein »Vielleicht« reichte ihm aus, um alles zu riskieren. Mason wusste, was zu tun war, was er schon vor langer Zeit hätte tun sollen. Bedächtig ging er auf die Laterne zu, deren berauschende Flammen Annas Augen reflektierten.

75. KAPITEL
    O h lieber Herrgott, irgendetwas stimmt hier nicht.
    Sylva schleuderte ihr Zauberpulver auf Ephram, presste Rachels Totenhemd an ihr Herz.
    Anna hätte nicht zurückkommen dürfen. Sie sollte eigentlich tot sein und als Geist durchs Haus spuken. Sie sollte Ephram dienen, sein Blut zum Fließen bringen, sein Brennstoff sein, seine Waffe. Aber nun lag sie hier, atmete, blinzelte und flüsterte mit dem Bildhauer.
    Und dann noch Annas Augen, irgendetwas an ihnen war äußerst seltsam. Es war, als ob mehrere Personen durch sie hindurch blickten, und jede einzelne von ihnen war verrückter als ein wild gewordener Affe im Käfig.
    Sie würde dafür sorgen, dass er sich auch Annas entledigte. Genau wie er es mit Miss Mamie getan hatte. Und mit Rachel. Er würde sie alle aufgeben. Bis nur noch sie und Ephram übrig waren.
    Sie konnte es kaum erwarten, diesen auferstandenen Körper zu erforschen. Ein ganzes Jahrhundert hatte sie auf diesen Augenblick gewartet. Hatte diesem Mann Tausende und Abertausende Zauber gewidmet. Nun war es an der Zeit für eine kleine Wiedergutmachung.
    Voller Anmut und Ästhetik öffnete die Büste den Mund. Es würde sich ziemlich hölzern anfühlen, dieses Ding da zu küssen, mit dieser Statue Liebe zu machen, die noch nicht einmal alle Körperteile besaß, aber man sagt doch, dass die Liebe immer einen Weg findet. Und sie hatte bis in alle Ewigkeit Zeit, um sich an seine Gestalt zu gewöhnen. Um Korban zu zähmen und ihm den unschätzbaren Wert ihrer Zauberkünste zu lehren. Um ihn an sich zu binden und von ihm gebraucht zu werden.
    Sie öffnete den Mund, um das Feuer ein letztes Mal zu beschwören.
    »Weiche Frost, bring—«

76. KAPITEL
    A nna wusste, dass dies der entscheidende Moment war. Die Zeit war gekommen, um die Schwelle für immer zu überschreiten. Es war der Augenblick für Brandopfer und für den ewigen Tod der rastlosen Seelen.
    »Hier hast du dein verdammtes Feuer«, brüllte Mason mit so lauter Stimme, dass der absurde Klang der Musik und das Rascheln der Blätter übertönt wurden. Atemlos krallte er sich die Laterne, sprang in Richtung Ephram, schrie den Himmel zusammen, hob die Laterne über den Kopf und schleuderte sie auf die Statue.
    Anna ließ ihrem Innersten freien Lauf, öffnete die Schleuse für die gefangenen Träume und verlorenen Hoffnungen aller verfolgten Seelen.
    Brennstoff.
    Die Laterne prallte auf die Statue, das dickflüssige Öl durchnässte das Eichenholz, das

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