Die Tunnel der Seele
zerbarsten und unter den Türen bahnte sich die Glut wie ein Wasserschwall ihren Weg.
Das Knistern des Feuers wurde von einem gellenden Schrei durchdrungen. »Raus hier, Jeff.«
Die Muse? Verwirrt blickte er von der Schreibmaschine hoch. Sein Werk war hinreißend. Stach aus diesem Akt des Bösen hervor, wirkte in der zerstörerischen Wut dieses brennenden Infernos vollkommen fehl am Platz. Aber das WORT—das Wort würde seinem Schöpfer doch nichts anhaben, oder?
Er hatte sich geirrt. Das WORT hatte gelogen.
Korban hatte gelogen.
Der
Autor
war der Meister. Die Sprache war der Sklave.
Bridget rief auf dem Korridor nach ihm, unsichtbar durch den stickigen Rauch, der jetzt den ganzen Raum ausfüllte. Unter dem Quietschen der Stuhlfedern lehnte sich Spence nach vorn und versuchte verzweifelt, die Seiten seines Manuskripts zu krallen, doch an der Rückseite seines Schreibtischs stiegen die Flammen gierig und unersättlich empor.
Seine Finger waren taub, seine Augen wurden feucht, alles verschwamm. Rauch drang in seinen Mund und Rachen. Er stürzte zur Tür. Aber er konnte sein Manuskript doch nicht dem Feuer überlassen. Benommen drehte er sich um und sah, dass das Papier in Flammen aufging, die Seiten zu einem grellen Leuchtfeuer entbrannten. Die Sätze wurden vom Dunst verschlungen, das WORT ausgelöscht von der Hitze seiner eigenen, irreführenden, glorreichen Lüge.
Spence knallte gegen den Türrahmen, spürte, wie ein Gefühl des Bedauerns an seinem Herzen zerrte. Er hatte den Punkt vergessen, hatte nicht die letzte Taste gedrückt. Er hatte das Manuskript nicht vollendet. Er wollte zurück ins Zimmer, doch die Decke stürzte ein, das Haus fiel in sich zusammen, die Schreibmaschine wurde von einer lichterloh brennenden Welle erfasst.
Die frische Luft, die durch das Fenster drang, nährte das Feuer und entfachte seine ganze geballte Kraft. Der heiße Windstoß wehte ein Blatt Papier aus dem Zimmer hinaus. Spence schnappte es sich und presste es an seine Brust.
Schluchzend, hustend und spuckend strauchelte er den Korridor entlang.
78. KAPITEL
»—F euer«, flüsterte Sylva das letzte Wort des Zaubers. Aber es war zu spät.
All die Jahre des Wartens, des Aufopferns, der Täuschung. Umsonst. Die Jahre, die Ephram Margaret genommen und ihr zurückgegeben hatte, lösten sich im Nichts auf, entschwanden in die Bedeutungslosigkeit. Sie standen eigentlich ihr zu.
Ephram
stand ihr zu.
Ihr Liebhaber aus Holz lag zusammengekrümmt und zuckend auf dem verkohlten Witwensteg. Die Flammen hatten an seiner Würde genagt, doch seiner Macht konnten sie nichts anhaben. Noch immer strahlte er diese Anziehungskraft aus, für die sie alles geopfert hatte. Er lag im Sterben, zum dritten und letzten Mal, und er brauchte sie. Das war ihr so brennend bewusst wie die Verstümmelungen, die ihr Körper durch die Hitze erlitt. Das Feuer versengte ihre Haare, entzog ihrer Haut den letzten Tropfen Feuchtigkeit.
»Sylvaaaaa«, vernahm sie ein Brüllen und wusste nicht, ob es Ephram war oder die Flammen, die begierig an ihr leckten.
Sie kroch zu ihm, in die Glut. Hatte ihr erstes Mal mit Ephram nur ihre Seele entzündet, so würde das Feuer jetzt auch von ihrem Körper Besitz ergreifen.
Als die lodernden Flammen ihr den Atem raubten, ihre Augen verglühten und ihr Gehirn verbrannten, wurde ihr klar, dass Besitz nichts Einseitiges war. Es gehörten immer zwei dazu. Wenn man jemandem sein Herz schenkt, begibt man sich in seine Hände, voll und ganz. Doch gleichzeitig gehört einem diese Person danach im selben Maße.
Zwei Seiten.
Frost und Feuer.
Und endloses Leiden, ein kalter Schmerz brennender Qualen. Diese Sache namens Liebe. Diese selbstmörderische, tötende Sache.
79. KAPITEL
A nna kletterte hinab, schwang sich durch das Geäst, dicht gefolgt von Mason, der sich ebenfalls seinen Weg nach unten bahnte, immer auf der Hut, nicht zu fallen. Eine heiße Glutwolke schlug über Anna hinweg aus dem Haus, Holz und Asche wurden von der Feuersbrunst durch die Luft gewirbelt. Der Anblick der Flammenhölle machte ihr unmissverständlich klar, dass sie am Leben war, dass der Tod, den sie kürzlich noch mit offenen Armen empfangen hätte, jetzt ihr Feind war. Sie wollte nicht sterben. Vielleicht war Leben nichts weiter als ein Kampf gegen das Ungewollte.
Vielleicht.
Vielleicht hatte auch Rachel recht. Man lebte für etwas, das viel größer als man selbst war. Man lebte für diese eine bedeutende Sache. Und dann hatte man sich seine
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