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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Feuer warf sich in orange, rot und blau schimmernden Strahlen auf die unansehnliche Gestalt Korbans. An einem Arm schoss eine gelbe Flamme empor, die das dunkle Ahornholz der Büste entzündete. Ein gellender Schrei riss den Nachthimmel entzwei, als das Feuer gepeitscht vom tosenden Wind seine ganze Wucht entfaltete.
    Annas Brust entleerte sich der gepeinigten Seelen des Hauses, die in Scharen aus ihr herausströmten, über den Witwensteg schwebten und sich auf ihren verhassten Meister stürzten. Wie Brennstoff schürten sie das Feuer, ließen es noch stärker und mächtiger lodern. Blind vor Höllenqualen holperte und stolperte die Statue über den Bretterboden. Die Büste entglitt ihr aus den Händen, die Lippen verzerrt in endloser Pein. Mason stieß die brennende Büste zurück zur Statue, mitten in die teuflische Feuersäule hinein.
    Aller Geister entledigt und wieder auf sich allein gestellt, kroch Anna rückwärts, überwältigt von der kaum zu ertragenden Feuersbrunst. Die Schornsteine des Hauses stießen einen beißenden Dunst aus und die Luft wurde von grellen, roten Funken zerschnitten.
    Das Haus schwankte, die Fassade wölbte sich und zerriss, die Dachtraufen knickten ab wie alte Knochen. Die Giebel stimmten ein Klagelied an, machten ihrer Angst vor einem Einsturz jammernd Luft. Aus den Türen und Fenstern drangen dicke Rauchschwaden, die sich um die Säulen emporschlangen und den Himmel verdunkelten.
    Korban wirbelte durch die Finsternis, führte angesichts seines längst überfälligen Untergangs einen Totentanz auf. Zu seinen Füßen kniete Sylva. Tod und Leben kämpften darum, dem Feuer, das auf beiden Seiten tobte, zu entrinnen.

77. KAPITEL
    E in Meer aus Flammen hatte den Witwensteg überzogen. Ein Entkommen durch die Falltür war aussichtslos. Der aufsteigende Rauch stach in Masons Augen, Schmerzblitze zuckten durch seine verbrannte Hand, an Kopf und Arm schnitten sich tiefe Wunden in sein Fleisch. Mason strauchelte zur Brüstung und blickte nach unten in die schwindelerregende Finsternis.
    Er spürte eine Hand und drehte sich um, darauf gefasst, dass Ephram Korban ihn in den Strudel eines nie enden wollenden Albtraums mitriss.
    Aber es war Anna.
    »Die Bäume«, sagte sie. »Ich denke, wir schaffen es.«
    »Ich kann nicht«, erwiderte er. »Ist mir zu hoch.«
    »Wir alle müssen uns unseren Ängsten früher oder später stellen. Und du hast gerade dein Meisterwerk verbrannt. Was hast du schon noch zu verlieren?«
    »Dich.«
    »Okay, dann los. Komm schon, ich bin verdammt noch mal auch egoistisch. Und ich will diesen Mist hier nicht als Einzige überleben.«
    Sie ging zu der Stelle, die am weitesten von der Feuersbrunst entfernt war, und kletterte über die Brüstung. Die Äste einer Pappel, die von der explosiven Kraft des Brandes ins Schwanken geraten war, peitschten gegen das Geländer. Weiter unten zersprangen Glasscheiben, aus den Fenstern schlugen Flammen, die mit der lodernden Glut aus den speienden Schlünden der Schornsteine verschmolzen. Das ganze Haus war zum Sterben verurteilt, entbrannte in einem Todeskampf, ächzte und stöhnte unter der zerstörerischen Wut des Feuers.
    »Ephram Korban«, sagte Anna. »Er stirbt mit dem Haus.«
    Sie griff nach den Zweigen und zog sich hinüber. Dann drehte sie sich nach Mason um und streckte ihm die Hand entgegen. »Beeil dich.«
    Er nahm ihre Hand, schloss die Augen, schwang sich über die Brüstung und schlang sein Bein um einen dicken Ast. Er spürte den klaffenden Abgrund unter sich, die gähnende Leere zwischen seinem Körper und dem Boden verursachte ein flaues Gefühl in seiner Magengegend—
    Nicht nachdenken, Mason.
    Sie ist von den Toten zurückgekehrt und du machst dir über so eine Belanglosigkeit Gedanken.
    Aber es war nicht der Sturz, vor dem er sich fürchtete. Es war der Aufprall. Das Sterben. Denn er hatte in die leeren, trostlosen Augen derer geblickt, die ihn aus diesen endlosen schwarzen Tunneln angestarrt hatten. Lieber wäre er blind als dass er diese tief verborgenen Ängste ausstehen musste, diese Geheimnisse der Seele, die in der Dunkelheit lauerten.
    Er kletterte den Ast entlang, spürte, wie sie sich an seinem blutdurchtränkten Shirt festkrallte. Als sie den dicken Baumstamm erreicht hatten, hielt er sie ebenso fest umklammert.
    Die Wände stürzten ein. Es war das Ende. Spence starrte auf das Papier, auf das WORT.
    F-e-u-e-r
    Die Flammen krochen in die Ritzen der Sockelleisten, aus dem Kamin schwoll Rauch. Die Fenster

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