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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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wahrscheinlicher ist, ich renne zurück den Berg hinunter, bevor ich auch nur einen Fuß auf diese Brücke setze
.
    »Sie ist wirklich stabil«, erwiderte sie beruhigend. »Die Pferde müssen mehrere tausend Pfund gewogen haben.«
    »Klar«, antwortete er und klopfte auf das Holzgeländer. »Das Ding hier würde einen Panzer aushalten.«
    »Höhenangst«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. »Jeder hat irgendeine Art von Phobie.«
    Oh, oh. Intelligent ist sie auch noch. Das verheißt nichts Gutes.
    »Ich konnte nicht mal in der Grundschule das Klettergerüst raufklettern«, sagte er.
    Er lächelte, obwohl sein Hals wie zugeschnürt war. »Das ist wirklich unglaublich nett von Ihnen, Miss—«
    »Galloway. Anna Galloway.«
    »Aber wie kann ich darauf vertrauen, dass Sie mich nicht direkt über einen dieser Felsvorsprünge führen?«
    Sie lächelte zurück. Ihr Lächeln war einnehmend, wenn es auch ein wenig erschöpft wirkte. »Sie können mir nicht vertrauen. Aber vielleicht können Sie beim Laufen ja so tun, als ob Sie auf einer riesigen betonierten Landebahn gehen würden, die so fest ist wie—«
    »Das nützt nichts. Flugzeuge machen mich genauso nervös.«
    Der Wind drehte ein bisschen und die Baumkronen des sie umgebenden Herbstwaldes erschauerten in goldenen und scharlachroten Tönen. Der schwache Rauch eines Holzfeuers wehte vorüber.
    »Die guten Zimmer werden alle vergeben sein, wenn wir noch länger warten«, sagte sie. »Ich habe keine Lust, während der gesamten Klausur in der Besenkammer zu übernachten.«
    »Nach Ihnen«, sagte er und vergaß dabei beinahe den langen Abgrund. Ihre Augen waren so tief wie diese gottverdammte Schlucht, und ihnen zu verfallen, könnte genauso tödlich enden wie ein Sturz von dieser Brücke.
    Langsam ging Anna an ihm vorbei und trat auf die Bretter. Eine Hand streckte sie nach vorn, mit der anderen klammerte sie sich an ihre Handtasche. Es war eine schicke Lederhandtasche, braun, nicht zu auffällig oder übertrieben elegant. Dezent, aber ansehnlich, genau wie sie selbst.
    Er griff nach ihrer Hand und legte die andere auf das Geländer.
Okay, Mutter. Siehst du? Ich kann Opfer bringen, um erfolgreich zu sein.
    Während des Laufens blinzelte er. Er hatte Angst, die Augen zu schließen, konnte der Dunkelheit nicht vertrauen. Mit den Augen fixierte er den Baumstumpf einer Eiche auf der anderen Seite der Brücke, stellte sich vor, wie er seine natürliche Form akzentuieren und ihn in einen Wasserspeier oder einen Wachhund verwandeln würde.
    Nur ein Mal kam die Brücke ins Schwanken, als ein Windstoß unter ihren Trägern entlangfuhr, und Masons Magen sackte nach unten. Annas Hand legte sich fester um die seine, zog mit mehr Beharrlichkeit und er eilte hinter ihr her. Plötzlich befanden sie sich wieder auf festem Boden. Ein Hochgefühl schoss durch seinen Körper und er stieß ein lautes Lachen aus.
    Anna ließ seine Hand los und er wischte sich den Schweiß von der Handfläche. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass seine Werkzeugtasche gegen seine Hüfte geschlagen hatte und sich allmählich ein Bluterguss bildete.
    »Vielen Dank, Anna«, sagte er, schaute zurück und kam sich nun ein wenig albern vor.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Niemand kann etwas für seine Phobien.«
    Sie lief schon voraus, die unbefestigte Straße hinunter, die in den Laubwald führte. Eilig ging er ihr nach, sein Werkzeug klimperte. »Und was ist Ihre?«, fragte er, als sie wieder gleichauf waren.
    »Meine was? «
    »Ihre Phobie?«
    Sie presste die Lippen aufeinander und schaute melancholisch. »Der Tod.«
    »Die ist gut.«
    »Macht die anderen bedeutungslos, nicht wahr?«
    »Wenn man genug Glück hat und der Tod das Ende ist.«
    Während sie weiterliefen, ließ er sich ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen. Ihre kurzen, zügigen Schritte unterstrichen als synchronisierte Interpunktion die seinen, welche lang und ausholend waren.
    Dann lichtete sich der Wald und vor ihnen eröffnete sich Korban Manor, als wäre es einer antiken Postkarte entsprungen. Die weitläufigen Felder gingen sanft in wogende Obsthaine und einen Flickenteppich aus grünen Wiesen über, an deren Ende sich zwei durch Zäune verbundene Scheunen befanden. Das Herrenhaus bestand aus drei hohen Etagen, so wie sie im ausklingenden 19. Jahrhundert erbaut wurden. Sechs koloniale Säulen stützten den Vorbau vor dem Eingang. Schwarze Läden umrahmten die Fenster und hoben sie von der weißen Hausverkleidung ab. Vier

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