Die Ueberbuchte
bereits.
Arne ging zum Wagen voran und Lena knapp hinter ihm, wobei sie einen langen Hals machte, um ins Auto zu spähen – aber da war niemand.
»Ich habe Beate«, er verbesserte sich, »Frau Uhland, bereits am Restaurant abgesetzt.«
Schweigend fuhren sie durch die zum Teil chaotisch verstopfte Innenstadt. An einer aufwendig instandgesetzten Gaststätte, die Lena vollkommen unbekannt war, hielt er an.
»Hier scheint es ganz ordentlich zu sein«, sagte Arne.
Das noble Portal sah in der Tat vielversprechend aus. Doch das wiederum war für Lena ziemlich nebensächlich, sie interessierte sich lediglich für diese Frau, Arnes Mitarbeiterin.
Kaum hatte sie den geschmackvoll ausgestatteten Raum betreten, als eine Frau aus einer halbverdeckten Nische ihnen zuwinkte.
»Ah, da ist ja, Frau Uhland«, sagte Arne zu Lena gewandt.
Sie schritten auf den besagten Tisch zu, und Arne machte sie miteinander bekannt. Unwillkürlich ruhten Lenas Augen etwas länger auf der schlanken, mittelgroßen Gestalt. Und ihr erster Gedanke war, diese Frau war das ganze Gegenteil von Franziska, seiner Frau. Es war unschwer zu erkennen, dass diese beiden Frauen überhaupt nicht miteinander vergleichbar waren, weder äußerlich, noch wie sie sich gaben. Demnach zwei grundverschiedene Menschen, mit wahrscheinlich grundverschiedener Lebensweise und Lebensauffassung. In jeder Hinsicht das ganze Gegenteil. Das Gesicht, obwohl von ebenmäßiger Vollkommenheit, entsprach es dennoch nur einem Dutzendgesicht. Alles an ihr war einfach, ohne deshalb langweilig zu wirken. Möglicherweise würde das Gesicht wesentlich an Reiz gewinnen, wenn die dunkelblonden, halblangen Haare etwas aufgelockerte und das blasse Gesicht ein klein wenig Schminke abbekommen hätte. Außerdem zeigten sich, trotz ihres verhältnismäßig jungen Alters, etwa Mitte dreißig, bereits erste kleine Fältchen. Mit einem Blick, eine Erscheinung, die das Leben gezeichnet hat. Das Auffälligste aber an ihr war, die extrem besonnene, vom tatkräftigen Leben geprägte Ernsthaftigkeit – ein untrügliches Zeichen, eines beschwerlichen, arbeitsreichen Lebens.
Als jeder seinen Platz eingenommen hatte, fragte Arne die junge Frau: »Ist zu Hause alles in Ordnung?«
»Ja«, nickte sie. Sie schwieg einen Augenblick, dann fügte sie sachlich ruhig hinzu: »Kati, macht das schon, auf sie ist Verlass.«
»Ihre Tochter …?«, fragte Lena.
»Ja«, die Frau lächelte sanft. »Ein liebes Mädchen – ohne sie wäre ich ziemlich aufgeschmissen.«
»Dann ist sie wohl schon etwas älter?«
»Vierzehn, in zwei Monaten wird sie fünfzehn.«
»Oh, in der Regel eher ein schwieriges Alter; wenigstens habe ich das bei meinen Kindern so empfunden.«
»Sie haben drei Kinder, nicht wahr?«
»Ja, zwei Buben und ein Mädchen, aber inzwischen alle drei außer Haus.«
Der Kellner, ein bildhübscher junger Bursche, trat an ihren Tisch heran, um die Bestellung entgegenzunehmen. Er zeigte mit einem besonders charmanten Lächeln auf das einzeln aufgeführte Fischgericht. »Das sollten Sie unbedingt probieren, eine Spezialität des Hauses!«
»Gut, dann nehme ich das«, entschied sich Arne.
Die beiden Frauen nickten zustimmend. »Wir auch …«
Nachdem sich der Kellner vom Tisch entfernt hatte, fragte Lena von einem zum anderen sehend: »Ich könnte mir vorstellen, dass die Zusammenarbeit mit Herrn Björnson ziemlich stressig sein dürfte, oder irre ich mich da?«
»Gott, je nachdem – es kommt immer auf den Umfang der Probleme an. Würden sich die Betriebe wesentlich früher um einen fachmännischen Rat bemühen, wäre das Ganze halb so stressig, so aber kommen sie erst, wenn bereits alles zu spät ist, stimmt’s?«, wandte sich die junge Frau an Arne, der still vor sich hin lächelnd zugehört hatte.
»Leider, genauso ist es«, sagte er, seufzte und fügte hinzu: »Es ist ein Wahnsinn, wie weit die Eigenkapitaldecke heruntergefahren wird, bevor es zu einer generellen Überprüfung der gegenwärtigen Strukturen kommt. Dann erst wird sichtbar, dass gar nicht, wie üblicherweise angenommen wird, das fehlende Eigenkapital die ausweglose Misere heraufbeschworen hat, sondern die fehlende Konzeption, samt genauester Bilanzierung. Das nämlich sind vielfach die wirklichen Ursachen! So mancher Betrieb hätte meiner Berechnung zu Folge überleben können, ja relativ gut dastehen können, wenn von Anfang an ein funktionierendes Konzept vorgelegen hätte. Außerdem muss man den Menschen im Osten zugutehalten,
Weitere Kostenlose Bücher