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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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Außerdem fühlte er sich ziemlich überfordert, da er sich im Zusammenleben der beiden überhaupt nicht auskannte. Schon gar nicht, um wohlgemeinte Ratschläge austeilen zu können. Um ehrlich zu sein; er hatte keinerlei Ahnung. Diese familiären Alltäglichkeiten hatten ihn nicht im Geringsten interessiert – ihn daher auch nie erreicht. Und jetzt auf einmal begann ihn das Gehörte zu bedrücken, ja zu verunsichern, obwohl sich das Verhältnis zu seiner Schwägerin und Bruder keineswegs verändert hatte. Im Gegenteil, die Distanz zwischen ihnen war nie größer gewesen. Der Gedanke, dass die Ehe der beiden … Aber nein, das ging nun doch zu weit, ermahnte er sich selbst. Was war nur mit ihm los, solche überspannten Anwandlungen hat er doch noch nie gehabt? Er war es doch, der auch in brenzligen Situationen niemals die Ruhe oder gar die Nerven verloren hätte. Eine längere Zeit belastender, oder gar quälender Gedanken, hatten bei ihm keine Chance gehabt. Das Leben wurde angenommen wie es sich darbot, ohne auf Kanten und Ecken zu achten. Mit dieser Lebenseinstellung war er stets recht gut gefahren. Und jetzt auf einmal sollte das alles nicht mehr funktionieren.
    Vorerst noch, während seiner Krankheit, machte er für seine seltsamen Empfindungen den von langer Krankheit geschwächten Körper verantwortlich; der wahrscheinlich zu überempfindlich reagierte. Nun aber konnte das nicht mehr geltend gemacht werden; er war wieder gesund – vollkommen leistungsfähig. Doch gerade diese wiedergewonnene, unbeschreiblich köstliche Lebensfreude, wurde ständig von einer nachdenklichen Mattigkeit überschattet. Ein andauerndes in sich hineinhorchen, in sich suchen – grauenvoll!
    Das längere Schweigen unterbrechend, sagte Franziska in die Stille hinein: »Entschuldige, Knut, dass ich dich mit meinen Problemen belästigt habe, aber ich hoffte von dir Genaueres zu erfahren.«
    Widerstrebend erhob er sich und legte behutsam die Hand auf ihre Schulter. »Weshalb auch hätte Arne ausgerechnet mit mir über eure Zukunft reden sollen?«
    »Gott, ihr seid schließlich Brüder.«
    Er lachte kurz auf, nahm ihre kühle schmale Hand in die seine und erwiderte mit besonderen Nachdruck: »Du wirst es schon richtig machen.«
    Sie antwortete nicht.
    Doch als sie ihn hilflos ansah, sah er, wie sich ihre schönen braunen Augen mit Tränen füllten. Tränen, die sie krampfhaft zu unterdrücken versuchte.

    Auf der Fahrt nach Sylt, wo er für einige Tage seine Schwester Dagmar besuchen wollte, wurde ihm ebenfalls auf seltsamer Weise bewusst, wie herzlich wenig er auch von ihr wusste. Selbst ihr Alter fiel ihm nicht auf Anhieb ein und er brauchte erst einen Augenblick um nachzurechnen. Sie musste neunundvierzig sein, und ihr Mann, der angebliche Sonderling, zwanzig Jahre älter. Kinder hatten sie keine, obwohl Dagmar Kinder über alles liebte.
    Knut lächelte vor sich hin, als er an die aufbrausenden Wortgefechte jener Zeit zurückdachte, als seine Schwester, kaum zwanzigjährig, ihre Verlobung mit dem Fischer und Maler, und den wohl verschrobensten Eigenbrötler der Insel bekannt gab. Das war wirklich ein starkes Stück, als sie, das einzige Mädchen von fünf Kindern, ohne jede Scheu erklärte; diesen Mann und keinen anderen heiraten zu wollen – was sie dann ja auch tat.
    Er musste sich eingestehen, auch er hielt sie damals für völlig übergeschnappt. Einen solchen Mann heiraten zu wollen, der ihr Vater hätte sein können, und außer den abgelegenen, reichlich verkommenen Fischerhäuschen nichts sonst zu bieten hatte, war mit Sicherheit ein starkes Stück. Doch sie setzte ihren Willen durch und heiratete ihn.
    Heute natürlich sprach keiner mehr darüber, da ihre kleine Pension inzwischen einen ausnehmend guten Ruf genoss.
    Was ihn im Augenblick jedoch weit mehr beschäftigte, war die Tatsache, dass ihm auch mit seinen übrigen Brüdern, keinerlei engere Beziehung verband. Bei seiner Schwester war das noch einigermaßen verständlich, da die charakterlichen Unterschiede viel zu groß waren – doch seine Brüder? Und was seinen Schwager anbetraf, zu ihm konnte er gleich gar keine tiefere Beziehung feststellen. Warum auch? Jeder lebte sein eigenes Leben, so wie er es für richtig hielt. Was also wollte man mehr …
    Die zügige Fahrt auf der nicht sonderlich belebten Fernverkehrsstraße, begleitet vom ständigen Wechsel heller und dunkler Wolken, dazu die klare Weite der aufgewühlten See, stimmte ihn ungemein fröhlich, wenn auch mit

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