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Die undankbare Fremde

Die undankbare Fremde

Titel: Die undankbare Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irena Brezna
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sie aus:
    »Das war nicht eingeplant.«
    Den Blick in die Ferne, enthoben den nahen Details, war meine Rede ohne Tür und Angel. »Moment mal, alles der Reihe nach«, unterbrach er mich und kanalisierte den Sturzbach zu Rinnsalen. Dann sagte er zufrieden, so verstünde er mich besser.
    Ich eilte zu Festen, um mich an der Geselligkeit satt zu essen. Aber ein Fest war die nahtlose Fortsetzung der Arbeit. Den Geladenen waren der Anfang und auch das erwünschte Ende schriftlich mitgeteilt worden. Die Gespräche drehten sich um Baubewilligungen, die Neuwahl des Zivilgerichtspräsidenten, steigende Krankenkassenbeiträge, und das Klärli, das Vreneli und das Lieseli standen stumm herum wie vergessene Regenschirme – wie denn auch sonst, grammatikalisch waren Frauen sächlich. Ich kam nicht hierher, um zu schweigen. Tolerant wie die Gäste waren, gewährten sie mir kurze Redefreiheit, aber statt über meine Geschichten zu staunen, zerhackten sie sie mit praktischen Lösungen. Sie wollten die Welt lösen, ich wollte sie bloß erzählen.
    Stieß ein Gast ungeladen dazu, nannte man es einen Überfall. Solche Kriegspläne kündigte man besser an: In drei Wochen plane ich einen Überfall auf euch, pflegte man einen Besuch anzudrohen. Andere Überfälle waren unbekannt. Die Gastgeber garantierten das Einhalten der Vorgabe mit sich steigernder Anspannung. Auch Kinderfeste hatten im Voraus ausdiskutierte Einlagen, mit den kleinen Gästen wurde geduldig eingeübt, was sie zu erwarten hatten. Ein verplantes Fest durchzustehen, verlangte allen Beteiligten einiges ab. Und mit dem Auseinandergehen war es nicht zu Ende. Erst jetzt kam der Überschwang: Aus sicherem Abstand, versteckt im Briefumschlag, verschickten die Gäste vorgedruckte Dankeskärtchen mit Ausrufezeichen.
    Bar jeglicher Vorstellung, was der morgige Tag bringen würde, konnte ich mich am beliebten Volksrätselraten nicht beteiligen: Wie viel Grad wird es auf dem Berg und wie viel unter dem Fabrikkamin im Nordwesten sein? Wird die Vorhersage auch eintreffen? Schon stand der Regenschutz bei der Tür parat. Ich redete über jenes Wetter, das die Haut bereits durchnässt oder gewärmt hatte, auf eine intim körperliche Art. Hier geschahen keine Wunder, die Sonne hatte ihre feste Bahn wie jeder Steuerberater auch. So wie der angekündigte Regen eintraf, so pünktlich kamen auch die Briefe an, der Pöstler war wie der Wetterfrosch. Gute, schlimme Botschaften gingen durch seine Hände, und dieser Volksheld erlag nicht der Versuchung, einen dicken Brief wie eine Gewitterwolke im Nichts aufzulösen. Rechnungen brannten unterwegs nicht ab und mit Geldeinzahlungen brannte niemand durch. Die Disziplinierung wurde wohltuend spürbar, für die das Land Jahrhunderte geopfert hatte. Schade nur, dass weder der Kondukteur noch der Pöstler darauf gedrillt waren, zwischen Tür und Angel ein paar unfunktionelle Worte auszutauschen.
    Aber das Erzählen war sowieso keine einheimische Stärke. Talentierte Erzähler nehmen die Fakten nicht so genau. Und welcher Tragödien hätte man schon gedenken sollen? Im Revolutionsjahr hatten sich ein paar auf Straßenbahnschienen gesetzt, rücksichtslos den Werktätigen gegenüber, die nun zu Fuß ins Büro eilten. Erzählten sie dann stolz vom Blockieren des öffentlichen Verkehrs, schwafelten sie nicht von Verletzten und Toten, nein, sie übertrieben nicht, opferten die Wahrheit nicht einer Pointe. Darin war Verlass auf sie. Und wann war schon nicht Verlass auf sie? Sie lehnten sich nicht hinaus. Auch nicht in der Liebe. In den Zügen stand dies ausdrücklich in vier Sprachen geschrieben. Die Radikalität des »Ich liebe dich« mochten die Dialekte nicht. Das höchste aller Gefühle: »I ha di gärn« benutzte man auch für das Müesli.
    »Sie ist Tänzerin«, sagt die Krankenschwester höhnisch. »Warten Sie hier auf sie.«
    Ich erkenne sie am Gang, sie trippelt in Stöckelschuhen, presst dabei die Schenkel zusammen. Sie erzählt mir ihre Geschichte unumwunden, aus dem Schmollmund kommt eine schmusende Stimme. Nacht für Nacht bis vier Uhr morgens ist sie das Schätzchen, säuselt mit Männern an der Bar, die nach Feierabend die Kindfrau suchen.
    »Müssen Sie mit ihnen ins Bett?«
    »Nein, nein. Wir tanzen und ziehen uns dabei aus. In den Pausen animieren wir die Männer zum Trinken. Ab und zu schütte ich ein Glas weg, ich vertrage nicht so viel Alkohol.«
    »Können Sie es nicht verweigern?«
    »Dann verliere ich die Arbeit.«
    Sie zuckt. Für die

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