Die unendliche Geschichte
gefolgt, sondern hatten eine andere Richtung eingeschlagen, denn ihr Ziel war es ja, Bastians Heimweg zu suchen.
Seither hatte er darüber nachgedacht, was er da eigentlich gemacht hatte, als er einen Drachen für Held Hynreck erfand. Sicherlich, Held Hynreck brauchte etwas, woran er sich bewähren und wogegen er kämpfen konnte. Aber es war ja durchaus nicht gesagt, daß er siegen würde. Was, wenn Smärg ihn umbrachte? Und außerdem war nun auch Prinzessin Oglamár in einer schrecklichen Lage. Gewiß, sie war ziemlich hochmütig gewesen, aber hatte Bastian deswegen das Recht, sie derartig ins Unglück zu bringen? Und von alldem einmal abgesehen, wer weiß, was Smärg sonst noch in Phantasien anrichtete. Bastian hatte da, ohne sich viel dabei zu denken, eine unabsehbare Gefahr geschaffen, die nun ohne ihn weiterbestehen und vielleicht unsägliches Unheil über viele Unschuldige bringen würde. Mondenkind, das wußte er, machte in ihrem Reich keinen Unterschied zwischen Bösen und Guten, zwischen Schönem und Häßlichem. Für sie war jedes Geschöpf in Phantasien gleich wichtig und berechtigt. Aber er, Bastian durfte er sich denn ebenso verhalten wie sie? Und vor allem, wollte er es denn überhaupt? Nein, sagte sich Bastian, er wollte durchaus nicht als der Schöpfer von Ungeheuern und Scheusalen in die Geschichte Phantásiens eingehen. Viel schöner wäre es, wenn er für seine Güte und Selbstlosigkeit berühmt wäre, wenn er das leuchtende Vorbild für alle darstellte, wenn man ihn den »guten Menschen« nennen oder wenn er als der »große Wohltäter« verehrt werden würde. Ja, das war es, was er sich wünschte. Das Land war inzwischen felsig geworden, und Atréju, der auf Fuchur von einem Erkundungsflug zurückkam, meldete, er habe wenige Meilen voraus einen kleinen Talkessel erspäht, der verhältnismäßig guten Schutz gegen den Wind böte. Wenn er recht gesehen habe, so gäbe es dort sogar mehrere Höhlen, in denen man vor dem Regen und Schnee Unterschlupf finden könne.
Es war schon später Nachmittag und höchste Zeit, einen geeigneten Lagerplatz für die Nacht zu suchen. So waren alle über Atréjus Nachricht erfreut und trieben ihre Reittiere an. Der Weg verlief auf dem Grunde eines von immer höheren Felsen eingeschlossenen Tales, eines ausgetrockneten Flußbetts vielleicht. Nach etwa zwei Stunden war der Kessel erreicht und tatsächlich fanden sich mehrere Höhlen in den Wänden ringsum. Sie wählten die geräumigste und machten es sich darin behaglich, so gut es ging. Die drei Herren suchten in der Umgebung dürres Reisig und vom Sturm abgeknickte Äste zusammen, und bald brannte ein prächtiges Feuer in der Höhle. Die nassen Mäntel wurden zum Trocknen ausgebreitet, die Pferde und die Mauleselin hereingeholt und abgesattelt und sogar Fuchur, der sonst das Übernachten im Freien vorzog, rollte sich im Hintergrund der Höhle zusammen. Im Grunde war der Platz gar nicht so ungemütlich. Während Hýdorn, der Zähe, ein großes Stück Fleisch aus ihrem Proviant an seinem langen Schwert über dem Feuer zu braten versuchte und alle ihm dabei erwartungsvoll zusahen, wandte sich Atréju an Bastian und bat:
»Erzähle uns mehr von Kris Ta!«
»Von wem?« fragte Bastian verständnislos.
»Von deiner Freundin Kris Ta, dem kleinen Mädchen, dem du deine Geschichten erzählt hast.«
»Ich kenne kein kleines Mädchen, das so heißt«, antwortete Bastian, »und wie kommst du darauf, daß ich ihr Geschichten erzählt hätte?«
Atréju schaute ihn wieder mit diesem nachdenklichen Blick an.
»In deiner Welt«, meinte er langsam, »hast du doch viele Geschichten erzählt - ihr und auch dir selbst.«
»Woher willst du das wissen, Atréju?«
»Du hast es gesagt. In Amargånth. Und du hast auch gesagt, daß man dich dafür oft ausgelacht hätte.«
Bastian starrte ins Feuer.
»Das ist richtig«, murmelte er, »ich hab’s gesagt. Aber ich weiß nicht warum. Ich kann mich nicht daran erinnern.«
Es kam ihm selbst merkwürdig vor.
Atréju wechselte einen Blick mit Fuchur und nickte ernst, so als hätten die beiden etwas besprochen, was sich jetzt bestätigte. Aber er sagte nichts weiter. Offenbar wollte er vor den drei Herren nicht darüber reden.
»Das Fleisch ist fertig«, verkündete Hýdorn.
Er schnitt jedem mit dem Messer ein Stück ab und alle aßen. Daß es fertig gewesen wäre, konnte man zwar beim besten Willen nicht behaupten - es war außen etwas verkohlt und innen noch roh -, aber unter den
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