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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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gegebenen Umständen wäre es unangebracht gewesen, heikel zu sein.
    Eine Zeitlang kauten alle, dann bat Atréju noch einmal:
    »Erzähle uns, wie du zu uns gekommen bist!«
    »Das weißt du doch«, antwortete Bastian, »du hast mich doch zur Kindlichen Kaiserin gebracht.«
    »Ich meine, vorher«, sagte Atréju, »in deiner Welt, wo warst du da, und wie ist alles gekommen?«
    Und nun erzählte Bastian, wie er Herrn Koreander das Buch gestohlen hatte, wie er damit auf den Speicher des Schulhauses geflohen war und dort zu lesen begonnen hatte. Als er anfangen wollte, von Atréjus Großer Suche zu berichten, winkte dieser ab. Es schien ihn nicht zu interessieren, was Bastian über ihn gelesen hatte. Statt dessen interessierte ihn höchlichst, Genaueres über das Wie und Warum von Bastians Besuch bei Koreander und seiner Flucht auf den Speicher des Schulhauses zu erfahren.
    Bastian dachte angestrengt nach, aber er fand nichts mehr davon in seinem Gedächtnis. Alles, was damit zusammenhing, daß er Angst gehabt hatte, daß er dick und schwach und empfindlich gewesen war, hatte er vergessen. Seine Erinnerung war bruchstückhaft, und diese Bruchstücke schienen ihm so fern und undeutlich, als habe es sich nicht um ihn selbst, sondern um einen anderen gehandelt.
    Atréju fragte ihn nach anderen Erinnerungen, und Bastian erzählte von den Zeiten, als seine Mutter noch gelebt hatte, vom Vater, von seinem Zuhause, von der Schule und seiner Stadt was er eben noch wußte.
    Die drei Herren waren schon in Schlaf gesunken, und Bastian erzählte immer noch. Es wunderte ihn, daß Atréju so großes Interesse gerade fürs Alltäglichste hatte. Vielleicht lag es an der Art, wie Atréju ihm zuhörte, daß auch ihm selbst die gewöhnlichsten und alltäglichsten Dinge nach und nach gar nicht mehr so alltäglich vorkamen, sondern so, als enthielten sie alle ein Geheimnis, das er nur nie bemerkt hatte.
    Schließlich wußte er nichts mehr, ihm fiel nichts mehr ein, was er noch hätte erzählen können. Es war schon spät in der Nacht, das Feuer war heruntergebrannt. Die drei Herren schnarchten leise. Atréju saß mit reglosem Gesicht und schien in Nachdenken versunken. Bastian streckte sich aus, wickelte sich in seinen Silbermantel und war eben am Einschlafen, als Atréju leise sagte:
    »Es liegt an AURYN.«
    Bastian stützte den Kopf auf eine Hand und sah den Freund schlaftrunken an. »Was meinst du damit?«
    »Der Glanz«, fuhr Atréju fort, als spräche er zu sich selbst, »wirkt bei unsereinem anders als bei einem Menschenkind.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Das Zeichen gibt dir große Macht, es erfüllt dir alle deine Wünsche, aber zugleich nimmt es dir etwas: Die Erinnerung an deine Welt.«Bastian dachte nach. Er empfand nicht, daß ihm etwas fehlte.
    »Graógramán hat mir gesagt, ich muß den Weg der Wünsche gehen, wenn ich meinen Wahren Willen finden soll. Und das heißt die Inschrift auf AURYN. Aber dazu muß ich von einem Wunsch zum nächsten gehen. Ich kann keinen überspringen. Anders kann ich in Phantasien überhaupt nicht weiterkommen, hat er gesagt. Dazu brauche ich das Kleinod.« »Ja«, sagte Atréju, »es gibt dir den Weg und nimmt dir gleichzeitig das Ziel.« »Na«, meinte Bastian unbesorgt, »Mondenkind wird schon gewußt haben, was sie tat, als sie mir das Zeichen gab. Du machst dir unnötige Gedanken, Atréju. Ganz bestimmt ist AURYN keine Falle.«
    »Nein«, murmelte Atréju, »das glaube ich auch nicht.«
    Und nach einer Weile fügte er hinzu :
    »Jedenfalls ist es gut, daß wir schon auf der Suche nach dem Weg in deine Welt sind. Das sind wir doch, nicht wahr?«
    »Jaja«, antwortete Bastian schon halb im Schlaf.
    Mitten in der Nacht erwachte er von einem eigentümlichen Geräusch. Er konnte sich nicht erklären, was es war. Das Feuer war erloschen, und völlige Dunkelheit umgab ihn. Dann fühlte er Atréjus Hand auf seiner Schulter und hörte ihn flüstern :
    »Was ist das?«
    »Ich weiß auch nicht«, flüsterte er zurück.
    Sie krochen zum Eingang der Höhle, von wo das Geräusch kam, und horchten genauer hin. Es klang wie ein unterdrücktes Schluchzen und Weinen aus unzähligen Kehlen. Doch es hatte nichts Menschliches und noch nicht einmal Ähnlichkeit mit tierischen Klagelauten. Es war wie ein allgemeines Rauschen, das manchmal zu einem Seufzen anschwoll wie eine aufschäumende Welle und dann wieder verebbte, um nach einiger Zeit von neuem anzuschwellen. Es war der jammervollste Ton, den Bastian je gehört

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