Die unendliche Geschichte
kann. Man muß ihm damit die beiden kleineren Köpfe abhauen.«
»Woher wißt Ihr das alles?« fragte Held Hynreck.
Bastian brauchte nicht zu antworten, denn in diesem Augenblick erschollen Schreckensrufe auf der Straße:
»Ein Drache! - Ein Ungeheuer! - Da seht doch, da oben am Himmel! - Entsetzlich ! Er kommt auf die Stadt zu ! - Rette sich, wer kann ! - Nein, nein, er hat schon ein Opfer!« Held Hynreck stürzte auf die Straße hinaus, und alle anderen folgten ihm, zuletzt Atréju und Bastian.
Am Himmel flatterte etwas, das einer riesigen Fledermaus glich. Als es näher kam, war es, als ob sich für einen Augenblick ein kalter Schatten auf die ganze Silberstadt legte. Es war Smärg, und er sah genauso aus, wie Bastian ihn eben erfunden hatte. Und mit den beiden kümmerlichen, aber so gefährlichen Händchen hielt er eine junge Dame fest, die aus Leibeskräften schrie und strampelte.
»Hynreck!« hörte man aus immer weiterer Ferne, »Hilfe, Hynreck! Rette mich, mein Held!« Dann war es vorüber.
Hynreck hatte bereits seinen schwarzen Hengst aus dem Stall geholt und stand in einer der Silberfähren, die zum Festland fuhren.
»Schneller!« hörte man ihn dem Fährmann zurufen. »Ich gebe dir, was du willst, aber mach schneller!« Bastian blickte ihm nach und murmelte: »Ich hoffe bloß, ich habe es ihm nicht zu schwer gemacht.«Atréju sah ihn von der Seite an. Dann sagte er leise:
»Wir sollten besser vielleicht auch aufbrechen.«
»Wohin?«
»Durch mich bist du nach Phantasien gekommen«, meinte Atréju, »ich denke, ich sollte dir nun auch helfen, den Rückweg zu finden. Du willst doch sicher irgendwann wieder in deine Welt zurückkehren, nicht wahr?«
»Oh«, sagte Bastian, »daran habe ich bis jetzt noch gar nicht gedacht. Aber du hast recht, Atréju. Ja, natürlich, du hast ganz recht.«
»Du hast Phantasien gerettet«, fuhr Atréju fort, »und mir scheint, du hast viel dafür empfangen. Ich könnte mir denken, daß du jetzt zurückkehren möchtest, um damit deine Welt gesund zu machen. Oder gibt es noch etwas, das dich zurückhält?«
Und Bastian, der vergessen hatte, daß er nicht immer stark, schön, mutig und mächtig gewesen war, antwortete :
»Nein, ich wüßte nicht was.«
Atréju sah den Freund wieder nachdenklich an und fügte hinzu:
»Und vielleicht ist es ja ein langer und schwieriger Weg, wer weiß?«
»Ja, wer weiß?« stimmte Bastian zu. »Wenn du willst, dann laß uns gleich aufbrechen.« Dann gab es noch einen kurzen, freundschaftlichen Streit unter den drei Herren, die sich nicht einigen konnten, wer von ihnen Bastian sein Pferd zur Verfügung stellen durfte. Aber Bastian kürzte die Sache ab, indem er sie bat, ihm Jicha, die Mauleselin zu schenken. Sie meinten zwar, ein solches Reittier sei unter Herrn Bastians Würde, aber da er darauf bestand, gaben sie schließlich nach.
Während die Herren alles für den Aufbruch vorbereiteten, gingen Bastian und Atréju zum Palast Quérquobads zurück, um dem Silbergreis für seine Gastfreundschaft zu danken und Abschied zu nehmen. Fuchur, der Glücksdrache, wartete auf Atréju vor dem Palast. Er war sehr zufrieden, als er hörte, daß man aufbrechen wollte. Städte waren nicht das Richtige für ihn, auch wenn sie so schön waren wie Amargánth.
Silbergreis Quérquobad war in die Lektüre eines Buches vertieft, das er sich aus der Bastian Balthasar Bux Bibliothek mitgenommen hatte.
»Ich hätte euch gerne noch lange bei mir zu Gast gehabt«, sagte er etwas zerstreut, »einen so großen Dichter beherbergt man nicht alle Tage.
Aber nun haben wir ja seine Werke zum Trost.«
Sie verabschiedeten sich und gingen hinaus.
Als Atréju sich auf Fuchurs Rücken setzte, fragte er Bastian:
»Wolltest du nicht auch auf Fuchur reiten?«
»Bald«, antwortete Bastian, »jetzt wartet Jicha auf mich, und ich hab’s ihr versprochen.« »Dann erwarten wir euch an Land«, rief Atréju. Der Glücksdrache erhob sich in die Luft und war schon im nächsten Augenblick außer Sichtweite.
Als Bastian zur Herberge zurückkam, warteten die drei Herren bereits reisefertig mit Pferden und Mauleselin in einer der Fähren. Sie hatten Jicha den Packsattel abgenommen und durch einen reichverzierten Reitsattel ersetzt. Warum, erfuhr sie aber erst, als Bastian zu ihr trat und ihr ins Ohr flüsterte:
»Du gehörst jetzt mir, Jicha.«
Und während die Barke ablegte und sich von der Silberstadt entfernte, klang noch lange über die bitteren Wasser des Tränensees
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