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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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besitzen. Es ist sogar meine letzte und einzige Hoffnung, daß es irgendwo in diesem grenzenlosen Reich ein Wesen gibt, das weiser ist als wir, das uns Rat und Hilfe geben könnte. Aber das ist mehr als ungewiß. Worin auch immer die Möglichkeit einer Rettung bestehen mag - eins steht fest: Die Suche danach erfordert einen Fährtenfinder, der Wege im Unwegsamen zu entdecken vermag und vor keiner Gefahr und keiner Anstrengung zurückweicht, mit einem Wort: einen Helden. Und die Kindliche Kaiserin hat mir den Namen dieses Helden genannt, dem sie ihr und unser aller Los anvertraut: Er heißt Atréju und wohnt im Gräsernen Meer hinter den Silberbergen. Ihm werde ich AURYN übergeben und ihn auf die Große Suche schicken. Nun wißt ihr alles.«
    Damit polterte der alte Zentaur aus dem Saal.
    Die Zurückbleibenden blickten einander verwirrt an.
    »Wie war der Name dieses Helden?« fragte einer.
    »Atréju oder so ähnlich«, sagte ein anderer.
    »Nie gehört!« meinte ein dritter. Und alle vierhundertneunundneunzig Ärzte schüttelten sorgenvoll die Köpfe.
    Die Turmuhr schlug zehn. Bastian wunderte sich, wie schnell die Zeit vergangen war. Während des Unterrichts kam ihm jede Stunde für gewöhnlich wie eine kleine Ewigkeit vor. Unten in der Klasse hatten sie jetzt Geschichte bei Herrn Dröhn, einem mageren, meist schlechtgelaunten Mann, der Bastian besonders gern vor allen lächerlich machte, weil er die Jahreszahlen von Schlachten, die Geburtsdaten und Regierungszeiten irgendwelcher Leute einfach nicht behalten konnte.
    Das Gräserne Meer, das hinter den Silberbergen lag, war viele, viele Tagereisen vom Elfenbeinturm entfernt. Es handelte sich um eine Prärie, die tatsächlich so weit und groß und flach war wie ein Meer. Saftiges Gras wuchs mannshoch, und wenn der Wind darüber hinstrich, zogen Wellen über die Ebene wie auf dem Ozean, und es rauschte wie Wasser. Das Volk, das hier lebte, hieß »Die Grasleute« oder auch »Die Grünhäute«. Sie hatten blauschwarze Haare, die auch von den Männern lang und manchmal in Zöpfen getragen wurden, und ihre Haut war von dunkelgrüner, ein wenig ins Bräunliche gehender Farbe-wie die der Oliven. Sie führten ein äußerst genügsames, strenges und hartes Leben, und ihre Kinder, Knaben wie Mädchen, wurden zur Tapferkeit, zur Großmut und zum Stolz erzogen. Sie mußten Hitze, Kälte und große Entbehrungen ertragen lernen und ihren Mut unter Beweis stellen. Das war nötig, denn die Grünhäute waren ein Volk von Jägern. Alles, was sie zum Leben brauchten, stellten sie entweder aus dem harten, faserigen Präriegras her, oder sie nahmen es von den Purpurbüffeln, die in riesigen Herden über das Gräserne Meer zogen. Diese Purpurbüffel waren ungefähr doppelt so groß wie gewöhnliche Stiere oder Kühe, hatten ein langes, seidig glänzendes und purpurrotes Fell und gewaltige Hörner, deren Spitzen scharf und hart wie Dolche waren. Im allgemeinen waren sie friedlich, aber wenn sie Gefahr witterten oder sich angegriffen fühlten, dann konnten sie furchtbar werden wie eine Naturgewalt. Niemand, außer den Grünhäuten, hätte es wagen können, auf diese Tiere Jagd zu machen - und sie taten es obendrein nur mit Pfeil und Bogen. Sie bevorzugten den ritterlichen Kampf, und so geschah es oft, daß nicht das Tier, sondern der Jäger sein Leben lassen mußte. Die Grünhäute liebten und verehrten die Purpurbüffel und meinten, das Recht, sie zu töten, nur durch die Bereitschaft zu erwerben, von ihnen getötet zu werden.
    Bis in dieses Land war die Nachricht von der Krankheit der Kindlichen Kaiserin und dem Verhängnis, das ganz Phantasien bedrohte, noch nicht gedrungen. Lange schon waren keine Reisenden mehr in die Zeltlager der Grünhäute gekommen. Das Gras wuchs saftiger denn je, die Tage waren hell und die Nächte voller Sterne. Alles schien gut.
    Aber eines Tages erschien ein weißhaariger, alter Schwarz-Zentaur im Zeltlager. Sein Fell troff von Schweiß, er wirkte zu Tode erschöpft, und sein bärtiges Gesicht war mager und ausgezehrt. Auf dem Kopf trug er einen seltsamen Hut aus Binsengeflecht und um den Hals eine Kette, an der ein großes goldenes Amulett hing. Es war Caíron.
    Er stand mitten auf dem freien Platz, den die Zelte des Lagers in immer weiteren Kreisen umgaben, dort, wo sich die Ältesten zur Beratung zusammensetzten oder wo an Festtagen Tänze getanzt und alte Lieder gesungen wurden. Er wartete und schaute sich um, aber rings um ihn drängten sich nur sehr

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