Die unendliche Geschichte
plötzlich ein wahrer Heißhunger nach den Früchten Aiuólas befiel. Von einem Augenblick zum anderen konnte er es kaum noch erwarten, zu ihr zurückzukehren und sich nach Herzenslust satt zu essen.
Abends hatten sie oft lange Gespräche miteinander. Er erzählte ihr von allem, was er in Phantasien erlebt hatte, von Perelín und Graógramán, von Xayíde und Atréju, den er so schwer verwundet oder sogar getötet hatte.
»Ich habe alles falsch gemacht«, sagte er, »ich habe alles mißverstanden. Mondenkind hat mir so viel geschenkt, und ich habe damit nur Unheil angerichtet, für mich und für Phantasien.« Dame Aiuóla sah ihn lange an.
»Nein«, antwortete sie, »das glaube ich nicht. Du bist den Weg der Wünsche gegangen, und der ist nie gerade. Du hast einen großen Umweg gemacht, aber es war dein Weg. Und weißt du, warum? Du gehörst zu denen, die erst zurückkehren können, wenn sie die Quelle finden, wo das Wasser des Lebens entspringt. Und das ist der geheimste Ort Phantásiens. Dorthin gibt es keinen einfachen Weg.«
Und nach einer kleinen Stille fügte sie hinzu:
»Jeder Weg, der dorthin führt, war am Ende der richtige.«
Da mußte Bastian plötzlich weinen. Er wußte selbst nicht warum. Ihm war, als ob sich ein Knoten in seinem Herzen auflöse und in Tränen zerging. Er schluchzte und schluchzte und konnte nicht aufhören. Dame Aiuóla nahm ihn auf ihren Schoß und streichelte ihn sanft, und er vergrub sein Gesicht in den Blumen auf ihrer Brust und weinte, bis er ganz satt und müde war.
An diesem Abend redeten sie nicht mehr weiter.
Erst am nächsten Tag kam Bastian noch einmal auf seine Suche zu sprechen: »Weißt du, wo ich das Wasser des Lebens finden kann?«
»An der Grenze Phantasiens«, sagte Dame Aiuóla.
»Aber Phantasien hat keine Grenzen«, antwortete er.
»Doch, aber sie liegen nicht außen, sondern innen. Dort, von woher die Kindliche Kaiserin all ihre Macht empfängt, und wohin sie selbst doch nicht kommen kann.«
»Und da soll ich hinfinden?« fragte Bastian bekümmert, »ist es nicht schon zu spät?« »Es gibt nur einen Wunsch, mit dem du dort hinfindest: Mit dem letzten . «
Bastian erschrak.
»Dame Aiuóla - für alle meine Wünsche, die sich durch AURYN erfüllt haben, habe ich etwas vergessen. Ist das hier auch so?«
Sie nickte langsam.
»Aber ich merke davon gar nichts!«
»Hast du es denn die anderen Male gemerkt? Was du vergessen hast, das kannst du nicht mehr wissen.«
»Und was vergesse ich denn jetzt?«
»Ich will es dir sagen, wenn der rechte Augenblick da ist. Sonst würdest du es festhalten.« »Muß es denn so sein, daß ich alles verliere?«
»Nichts geht verloren«, sagte sie, »alles verwandelt sich.«
»Aber dann«, sagte Bastian beunruhigt, »müßte ich mich vielleicht beeilen. Ich dürfte nicht hier bleiben.«
Sie streichelte sein Haar.
»Mach dir keine Sorgen. Es dauert, solang es dauert. Wenn dein letzter Wunsch erwacht, dann wirst du es wissen - und ich auch.«
Von diesem Tage an begann sich tatsächlich etwas zu ändern, obgleich Bastian selbst noch nichts davon bemerkte. Die verwandelnde Kraft des Änderhauses tat ihre Wirkung. Doch wie alle wahren Veränderungen ging sie leise und langsam vor sich wie das Wachstum einer Pflanze.
Die Tage im Änderhaus verstrichen, und noch immer dauerte der Sommer an. Bastian genoß es auch weiterhin, sich wie ein Kind von Dame Aiuóla verwöhnen zu lassen. Auch ihre Früchte schmeckten ihm noch immer so köstlich wie zu Anfang, doch nach und nach war sein Heißhunger gestillt. Er aß weniger davon. Und sie bemerkte es, ohne jedoch ein Wort darüber zu verlieren. Auch von ihrer Fürsorge und Zärtlichkeit fühlte er sich gesättigt. Und in demselben Maß, wie sein Bedürfnis danach abnahm, erwachte in ihm eine Sehnsucht ganz anderer Art, ein Verlangen, wie er es bisher noch nie empfunden hatte und das sich in jeder Hinsicht von all seinen bisherigen Wünschen unterschied: DieSehnsucht, selbst lieben zu können. Mit Verwunderung und Trauer wurde er inné, daß er es nicht konnte. Doch der Wunsch danach wurde stärker und stärker.
Und eines Abends, als sie wieder beisammensaßen, sprach er darüber mit Dame Aiuóla. Nachdem sie ihm zugehört hatte, schwieg sie lange. Ihr Blick ruhte mit einem Ausdruck auf Bastian, den er nicht verstand.
»Jetzt hast du deinen letzten Wunsch gefunden«, sagte sie, »dein Wahrer Wille ist es, zu lieben.«
»Aber warum kann ich es nicht, Dame Aiuóla?«
»Das kannst
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