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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Titel: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milan Kundera
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alt vor und es schien ihm, als sehnte er sich nur noch nach ein wenig Ruhe und Frieden.
    »Vielleicht hast du recht«, sagte er mit Mühe, weil er nur schwer atmen konnte, wenn er Schmerzen hatte.
    Teresa fuhr fort: »Wir hätten dort ein Häuschen mit einem Stück Garten und Karenin könnte nach Herzenslust herumtollen.«
    »Ja«, sagte Tomas.
    Und dann stellte er sich vor, wie es wäre, wenn sie tatsächlich aufs Land zögen. Auf dem Dorf wäre es schwierig, jede Woche eine andere Frau zu haben. Es wäre das Ende seiner erotischen Abenteuer.
    »Aber du würdest dich auf dem Dorf mit mir langweilen«, sagte Teresa, als hätte sie seine Gedanken erraten.
    Die Schmerzen wurden immer heftiger. Er konnte nicht mehr sprechen. Es fiel ihm ein, daß seine Jagd auf Frauen auch irgendein »Es muß sein!« war, ein Imperativ, der ihn zum Sklaven machte. Er sehnte sich nach Ferien. Aber nach richtigen Ferien, nach Ruhe vor allen Imperativen, vor allen »Es muß sein!«. Wenn er sich für immer vom Operationstisch des Krankenhauses hatte lossagen können, warum sollte es nicht möglich sein, sich vom Operationstisch der Welt zu verabschieden, auf dem er mit seinem imaginären Skalpell die Hülle öffnete, in der die Frauen das trügerische Millionstel an Unähnlichem versteckten?
    »Du hast Magenschmerzen!« stellte Teresa erst jetzt fest.
    Er gab es zu.
    »Hast du dir eine Spritze gegeben?«
    Er schüttelte den Kopf: »Ich habe vergessen, Medikamente zu besorgen.«
    Sie warf ihm seine Fahrlässigkeit vor und streichelte seine schweißbedeckte Stirn.
    »Es geht schon etwas besser«, sagte er.
    »Leg dich hin«, sagte sie und deckte ihn zu. Dann ging sie ins Badezimmer und legte sich etwas später neben ihn.
    Er wandte ihr seinen Kopf auf dem Kissen zu und war erschüttert; die Trauer, die aus ihren Augen sprach, war unerträglich.
    Er sagte: »Teresa, sag mir doch, was mit dir los ist. In letzter Zeit ist etwas mit dir geschehen. Ich spüre es. Ich weiß es.«
    Sie schüttelte den Kopf: »Nein, ich habe nichts.«
    »Streite es doch nicht ab!«
    »Es ist immer dasselbe«, sagte sie.
    »Immer dasselbe« bedeutete, daß sie eifersüchtig war und er untreu.
    Aber Tomas bohrte weiter: »Nein, Teresa. Diesmal ist es etwas anderes. So schlecht ist es dir noch nie gegangen.«
    Teresa sagte: »Dann will ich es dir sagen. Geh dir die Haare waschen.«
    Er verstand sie nicht.
    Sie sagte traurig, ohne Aggressivität und fast zärtlich: »Deine Haare riechen schon seit Monaten sehr stark. Sie riechen nach einem weiblichen Schoß. Ich wollte es dir nicht sagen. Aber schon so viele Nächte lang muß ich den Schoß einer deiner Frauen einatmen.«
    Kaum hatte sie das gesagt, begann sein Magen wieder zu schmerzen. Er war verzweifelt. Dabei wusch er sich so gründlich! Sorgfältig schrubbte er den ganzen Körper, die Hände, das Gesicht, damit keine Spur eines fremden Geruchs an ihm haften blieb. Er vermied es, in fremden Badezimmern parfümierte Seifen zu benutzen. Er hatte seine eigene Kernseife immer bei sich. Doch die Haare hatte er vergessen!
    Nein, das wäre ihm nicht eingefallen, auch noch an die Haare zu denken!
    Und er erinnerte sich an die Frau, die sich rittlings über sein Gesicht setzte und wollte, daß er sie mit seinem ganzen Gesicht bis zum Scheitel liebte. In diesem Moment haßte er sie. Solche idiotischen Einfälle! Er sah ein, daß es unmöglich war, etwas abzustreiten, und er nur dämlich lachen und ins Badezimmer gehen konnte, um sich die Haare zu waschen.
    Sie streichelte ihn wieder und sagte: »Bleib ruhig liegen.
    Es lohnt sich jetzt nicht mehr. Ich habe mich daran gewöhnt.«
    Der Magen tat ihm weh und er sehnte sich nach Ruhe und Frieden.
    Er sagte: »Ich werde dem Patienten schreiben, den wir im Kurort getroffen haben. Kennst du die Gegend, wo das
    Dorf liegt?«
    »Nein«, sagte Teresa.
    Tomas konnte nur noch mit Mühe reden. Er konnte nur noch sagen: »Wälder . Hügel .«
    »Ja, das ist gut. Laß uns von hier wegziehen. Aber sprich jetzt nicht mehr«, sagte sie und streichelte immer noch seine Stirn. Sie lagen nebeneinander und schwiegen. Der Schmerz flaute allmählich ab. Kurz danach schliefen sie beide ein.
    22.
    Mitten in der Nacht wachte er auf und stellte überrascht fest, daß er lauter erotische Träume gehabt hatte. Ganz klar konnte er sich nur noch an den letzten erinnern: in einem Schwimmbecken schwamm eine riesige nackte Frau auf dem Rücken, sie war mindestens fünfmal größer als er und ihr Bauch war

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