Die Uno
ist. Die Gewichte zwischen der Staatenwelt und grenzüberschreitend tätigen privaten Akteuren unterschiedlichster Couleur haben sich jedoch in konflikthafter und regelungsbedürftiger Weise zu verschieben begonnen. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, das zeigen die Schwierigkeiten der USA bei der Bekämpfung des Terrorismus, sind die grenzüberschreitenden Herausforderungen für staatliche Alleingänge sogar im Kernbereich der Sicherheitspolitik zu groß geworden. Aber selbst wenn die Staaten sie gemeinsam in Angriff zu nehmen versuchen, stoßen sie immer früher an die Grenze der von ihnen selbst gesetzten, von der UNO zu beschützenden und für die Erhaltung des Staatensystems konstitutiven Schwelle der territorialstaatlichen Souveränität. Staatlichkeit und Territorialität werden von Herausforderungen wie dem transnationalen Terrorismus aber gleich in doppelter Weise infrage gestellt. Zum einen gehen die Bedrohungen in diesem Fall von territorial ungebundenen und grenzüberschreitend operierenden privaten Akteuren aus, und zum anderen richten sie sich, zumal dann, wenn terroristische Gruppierungen erst einmal über Massenvernichtungswaffen verfügen, mehr gegen die Zivilbevölkerung als gegen die Staaten selbst. Derartige Herausforderungen unterlaufen, überfordern und sprengen den zwischenstaatlichen Ordnungsrahmen, den die Vereinten Nationen bisher bereitgestellt haben – und aufgrund ihrer zwischenstaatlichen Organisationsform auch nur bereitstellen konnten. Das der UNO traditionell zur Verfügung stehende Instrumentarium besteht im Kern darin, den gewaltsamen Konfliktaustrag zwischen Staaten durch völkerrechtliche Selbstbindungen zwischen ihnen zu zivilisieren und Verstöße dagegen notfalls mit kollektiv autorisierten Zwangsmaßnahmen zu bestrafen.
Diesem Ansatz eines sanktionsbewehrten Friedens durch Recht liegt die Annahme zugrunde, dass die Schöpfer und Adressatendes Völkerrechts die Staaten sind. Er ist daher nur bedingt geeignet, mit Existenzgefährdungen umzugehen, die weder von Staaten ausgehen noch unmittelbar auf Staaten gerichtet sind. Private Akteure sind damit allenfalls indirekt zu erreichen. Immer häufiger sind die Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren nach Bürgerkriegen ins Land geholt worden, um an der «Reparatur» eines zerfallenen Staates mitzuwirken und die Voraussetzungen für die Wiederherstellung einer effektiven und «guten» Regierungsführung zu schaffen. Probleme von
good governance
beschränken sich allerdings keineswegs auf diese besonders spektakulären Fälle, sondern stellen eine ganz alltägliche Begleiterscheinung der insbesondere in vielen Entwicklungsländern begrenzten staatlichen Kapazitäten dar, wenn es darum geht, eine nachhaltige, d. h. vor allem sozial- und umweltverträgliche Wohlfahrtsentwicklung in Gang zu setzen und politisch zu steuern. Obwohl es meistens auch an administrativen Kompetenzen mangelt, erscheint es wenig aussichtsreich, diese Probleme allein durch «mehr Staat» lösen zu wollen. Auch die Vereinten Nationen setzen in diesen Ländern daher vermehrt auf Instrumente der politischen Steuerung, die nicht auf mehr gesellschaftliche Disziplinierung ausgerichtet sind, sondern im Gegenteil auf eine stärkere Öffnung gegenüber privaten Akteuren aus Gesellschaft und Wirtschaft mit dem Ziel, diese in das Regieren einzubinden. Denn häufig verfügen gerade nichtstaatliche Gruppen und Organisationen über ebenso relevante Problemlösungsressourcen wie die staatlichen Institutionen selbst.
Die in den Vereinten Nationen zusammengeschlossenen Staaten sehen sich heute mit einem Problemhaushalt konfrontiert, den sie nur dann erfolgreich bewältigen können, wenn es ihnen gelingt, sich gegenüber den zunehmend wichtiger werdenden Herausforderungen
und
Problemlösungsangeboten privater Akteure neu zu positionieren. Für die UNO könnte dies in letzter Konsequenz bedeuten, dass auch sie ihre Identität den neuen Gegebenheiten anpassen muss. Die bereits zitierte Feststellung Kofi Annans signalisiert deutlich die Bereitschaft zu einem innovativen Umgang mit dem wachsenden Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstverständnis der UNO als einer zwischenstaatlichenOrganisation auf der einen Seite und dem Wandel souveräner Staatlichkeit im Zuge einer Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in einem globalen Rahmen andererseits. Der ehemalige Generalsekretär Annan hat mit seiner Aufforderung an die
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