Die Uno
Wirtschaftswelt und die internationale Zivilgesellschaft zur Übernahme von freiwilligen Selbstverpflichtungen im Rahmen des Globalpakts der Vereinten Nationen (
Global Compact
) bereits eine bemerkenswerte Initiative ergriffen.
Mit der Zunahme ihrer Aufgaben wird auch der Legitimitätsbedarf der UNO wachsen. Einer lange Zeit unhinterfragten staatenzentrierten Demokratievorstellung zufolge verfügt eine internationale Organisation bereits dann über eine ausreichende demokratische Legitimität, wenn die in ihr vertretenen Staaten nach dem Prinzip «Ein Land – eine Stimme» alle das gleiche Stimmrecht besitzen – auch dann, wenn die Bevölkerungen so gut wie keinen Einfluss darauf nehmen können, was die Vertreter ihrer Regierungen in ihrem Namen, aber über ihre Köpfe hinweg, dort aushandeln. Die Verlagerung der Globalisierungskritik auf die Straße oder das Abhalten medienträchtiger Alternativveranstaltungen als Kontrastprogramm zu den großen Weltkonferenzen unter dem Schirm der Vereinten Nationen haben auf ein Partizipationsdefizit aufmerksam gemacht, das nach mehr Mitwirkungsrechten der eigentlichen Souveräne, nämlich der betroffenen Bürgerinnen und Bürger selbst, ruft.
Die zentrale übergreifende Aufgabe der Vereinten Nationen wird in den kommenden Jahren darin bestehen, sich von einer zwischenstaatlichen Institution zur kollektiven Selbstregulierung der Staatenwelt zu einem politischen Ordnungsrahmen für die kollektive Selbstregulierung einer alle genannten Akteursgruppen umfassenden Weltgesellschaft weiterzuentwickeln. Aber wie können die nichtstaatlichen Akteure künftig stärker an der Arbeit der Vereinten Nationen partizipieren, ohne damit die Gefahr heraufzubeschwören, dass eine von Nichtregierungsorganisationen überlaufene oder gar dominierte UNO dann ihre Attraktivität für die Regierungen verliert und in die Irrelevanz abgleitet, weil diese in Arenen auswandern, in denen sie untersich bleiben und allein entscheiden können? Wie können private Akteure innerhalb eines solchen weltgesellschaftlichen Ordnungsrahmens wirksam auf die Einhaltung völkerrechtlicher Verhaltensnormen verpflichtet werden? Welche Gruppen sollen einbezogen werden? Zivilgesellschaftliche Nichtregierungsorganisationen und transnationale Unternehmen, von deren Mitarbeit sich die Regierungen eine effektivere Bearbeitung der Weltprobleme versprechen, oder sollen auch Warlords und terroristische Organisationen einen mit Rechten und Pflichten verbundenen völkerrechtlichen Status erhalten, um unmittelbar auf sie einwirken zu können? Wie soll auf die immer mehr um sich greifende Informalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen reagiert werden, die sich in kreativen institutionellen Neuschöpfungen wie der G 8 oder der G 20 ausdrückt?
Für die Vereinten Nationen wird es zukünftig nicht mehr allein oder auch nur vordringlich um die Aufgabe gehen, zwischenstaatliche Konflikte friedlich zu regeln, sondern um die Ermöglichung von
good governance
in einer Welt, in der die Staaten immer weniger in der Lage sind, die von ihnen erwarteten politischen Steuerungsleistungen in den Bereichen Sicherheit, Menschenrechte, Wohlfahrt und Umwelt zu erbringen. In diesem Buch soll dargelegt werden, wie gut die UNO auf die Gegenwarts- und Zukunftsprobleme in diesen Aufgabenfeldern vorbereitet ist und welche Beiträge von ihr zu deren Bewältigung zu erwarten sind.
II. Grundlegendes über die Vereinten Nationen
1. Vorgeschichte, Gründung und Ziele
Am 24. Oktober 1945 trat die Charta der Vereinten Nationen in Kraft. Der Zweite Weltkrieg war gerade zu Ende gegangen und stellte, wie schon der Erste, die Welt vor die Frage, wie sich eine Zukunft ohne Krieg organisieren ließe. Die Antwort war in beiden Fällen die gleiche: durch die Verbesserung der Organisation der Beziehungen zwischen den Staaten. Im Jahr 1919 war zu diesem Zweck bereits der Völkerbund ins Leben gerufen worden. Für seine Gründer waren nicht etwa das Fehlverhalten oder die internen Probleme einzelner Staaten für die Katastrophe des Ersten Weltkriegs verantwortlich, sondern vor allem das Organisationsdefizit in den Beziehungen zwischen den Staaten. Aber hatte die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs nicht genau diese Diagnose dementiert? Hatte der Völkerbund nicht sein Ziel verfehlt? Warum also das gleiche Rezept ein zweites Mal ausprobieren?
Diese Frage verkennt, dass mit der Gründung der Vereinten Nationen keine bloße Neuauflage des Völkerbunds beabsichtigt
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