Die Uno
weltpolitischen Verantwortung nicht zu entziehen brauchen, werden Reformüberlegungen immer lauter, die darauf abzielen, die Zusammensetzung, die Entscheidungsprozeduren und die Kompetenzen des Sicherheitsrats auf die weltpolitischen Realitäten und die Aufgaben des 21. Jahrhunderts neu auszurichten.
In dem bereits erwähnten Bericht der von Generalsekretär Annan eingesetzten Hochrangigen Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel werden zwei Vorschläge zur Erweiterung des Sicherheitsrats gemacht. Dem ersten Modell zufolge würde der Sicherheitsrat um weitere sechs ständige und drei wechselnde Mitglieder erweitert. Die am meisten gehandelten Kandidaten für die zusätzlichen ständigen Sitze, die allerdings kein Vetorecht hätten, sind Deutschland, Brasilien, Indien, Japan, Ägypten und entweder Nigeria oder Südafrika. Nach dem zweiten Modell würden neben die fünf ständigen Mitglieder acht «halbständige» mit einer vierjährigen Amtszeit sowie elf weitere Mitglieder treten, die auf zwei Jahre gewählt werden sollen. Beide Varianten würden zumindest zu einer regional ausgewogeneren Repräsentation beitragen. Eine «Demokratisierung» würde dies freilich noch nicht einmal nach dem bescheidenen Kriterium der Staatendemokratie («Ein Land – eine Stimme») bedeuten, weil die Sonderstellung der fünf bisherigen ständigen Mitglieder unangetastet bliebe.
Beide Vorschläge verkörpern ein auf die klassische zwischenstaatliche Diplomatie beschränktes Reformangebot, das sowohl gegenüber den Effektivitätsanforderungen der nichtstaatlichen Herausforderungen als auch gegenüber den auf das individuelle Selbstbestimmungsrecht und auf die Kontrolle staatlicher Herrschaft bezogenen demokratischen Anforderungen zu kurz greift. Die Formel «
We the peoples
» bleibt wohl auch in der gegenwärtigenDebatte über die Reform des Sicherheitsrats weiterhin die große, nicht eingelöste Verheißung der UNO-Charta. Die Vereinten Nationen sind in den Augen der Regierungen ihrer Mitgliedstaaten nach wie vor keine Organisation der Völker, sondern eine der Regierungen. Aber wer soll die vielbeschworenen Völker repräsentieren? Erhalt das UN-System durch die Partizipation von NRO als den organisierten Verbindungsgliedern zur gesellschaftlichen Basis eine höhere demokratische Legitimität? In einer Hinsicht wäre damit immerhin ein Moment von
checks and balances
ins Spiel gebracht: Der machtpolitischen Instrumentalisierbarkeit durch die Staaten würde sich die UNO durch die Einbindung anderer Mitglieder möglicherweise ein Stück weit entziehen können.
Aber vor allem die rapide Zunahme der informellen und halboffiziellen Formen der Mitwirkung von NRO wirft neue Legitimitätsprobleme auf. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimität ist daher wiederholt die Forderung erhoben worden, die gesellschaftliche Repräsentation nicht allein den NRO als den selbsternannten fachlichen und moralischen Autoritäten zu überlassen, da diese über keine ausreichende demokratische Legitimation und über eine fragwürdige Repräsentativität verfügten. Wie begründet sind solche Einwände? Die bereits angesprochene ECOSOC-Resolution 1996/31 macht den Mitwirkungsanspruch von NRO von einer ganzen Reihe von Voraussetzungen abhängig. Einen Konsultativstatus als NRO kann nur eine nationale, subregionale, regionale oder transnationale Organisation erhalten,
– deren Kompetenz und Repräsentativität in einem bestimmten Politikbereich, der in die Zuständigkeit des Wirtschafts- und Sozialrats fällt, anerkannt ist
– deren Ziele mit denen der UNO-Charta in Übereinstimmung stehen
– die über einen Sitz, eine demokratisch legitimierte Satzung und ein rechenschaftspflichtiges Exekutivorgan verfügt
– die berechtigt ist, für ihre Mitglieder zu sprechen
– deren interne Struktur den Mitgliedern eine effektive Kontrolle der verfolgten Politik ermöglicht
– die nicht auf einen staatlichen oder zwischenstaatlichen Gründungsakt zurückgeht und
– die ihre Finanzierung vorwiegend aus Mitgliedsbeiträgen erhält und Einnahmen aus anderen Quellen offen legt.
Ungeachtet dieses Anforderungskatalogs wurden von wissenschaftlicher wie von praktischer Seite Vorschläge ins Spiel gebracht, die «Exekutivlastigkeit» der Organisationen und Foren des UN-Systems durch eine «Parlamentarisierung» zu vermindern und die gesellschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeiten auf eine Weise zu formalisieren, die demokratischen
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