Die Uno
fortgesetzten Unterstützung von Al Qaida durch die Taliban gerechtfertigt.
Solange sie keine effektive völkerrechtskonforme Alternative sehen, ist zu befürchten, dass Staaten, wenn sie dazu in der Lage sind, wieder vermehrt und einseitig auf das Mittel der Selbsthilfe zurückgreifen werden. Kofi Annan beauftragte angesichts dieser Gefahr eine Hochrangige Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel (
High-Level Panel on Threats, Challenges and Change
) damit, hierzu Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Diese Gruppe bekräftigt in ihrem 2004 vorgelegten Bericht das Monopol des Sicherheitsrats auf die Autorisierung jeglicher Anwendung von Gewalt gegenüber dem Anspruch eines Staates auf ein naturgegebenes Selbstverteidigungsrecht. Diese Bekräftigung des Prinzips «Recht vor Macht» geht mit einer gleichzeitigen Senkung der Interventionsschwelle einher. So soll die Autorisierung von Zwangsmaßnahmen durch den Sicherheitsrat bereits bei dem dringenden Verdacht möglich sein, dass terroristische Gruppierungen Massenvernichtungswaffen erwerben.
Eine noch weiter gehende Öffnung des kollektiven Sicherheitssystems nicht nur auf die Befassung mit transnationalen, sondern darüber hinaus auch mit innergesellschaftlichen Konfliktlagen könnte die Ausweitung von Interventionsgründen auf humanitäre Bürgerkriegskatastrophen bedeuten. Die «Hochrangige Gruppe» stellte in ihrem Bericht eine kollektive internationale Verantwortung angesichts von Völkermord, ethnischen Säuberungen und schwersten Menschenrechtsverletzungen fest. Erstmalig wären damit humanitäre Interventionen auch als solche bereits völkerrechtlich zulässig.
Die Vorschläge des Reform-Panels zur Erweiterung der Zuständigkeit des Sicherheitsrats auf Bedrohungen, von denen nicht primär Staaten, sondern Menschen betroffen sind und die auch nicht aus der Staatenwelt kommen, sondern die an deren Bruchstellen in Gestalt von Terrorismus, Staatsverfall und Bürgerkriegen auftreten, könnten den Weg zu einem umfassenderen Verständnis von kollektiver Sicherheit ebnen. Nachhaltige Sicherheiterfordert allerdings auch eine konsequentere präventive Bekämpfung der Ursachen von Konflikten. Um etwa dem Anspruch gerecht zu werden, auch Schutz vor den Gefahren bieten zu können, die von der «Massenvernichtungswaffe» Armut ausgehen, wird auch eine erleichterte Autorisierung von Zwangsmaßnahmen durch den Sicherheitsrat allein nicht ausreichen.
2. Demokratische Legitimität: Erweiterung des Sicherheitsrats oder Einbindung privater Akteure?
Die Vereinten Nationen scheinen im Unterschied zum Völkerbund das Ziel der Universalität erreicht zu haben. Praktisch alle Staaten gehoren ihnen an und bekennen sich damit zu den Zielen der Charta. Ironischerweise ist diese Universalitätsvorstellung aber anachronistisch geworden, weil sie sich auf eine
staatenweltliche
Grundgesamtheit beschränkt. Vor allem aber fehlt dieser Beschränkung eine
normative
Rechtfertigung, sofern man die Anforderungen an die demokratische Legitimität des grenzüberschreitenden Regierens nicht mehr von der Souveränität des Staates, sondern von der Souveränität des Individuums her bestimmt.
Die Vorschläge zur Demokratisierung der Vereinten Nationen unterscheiden sich bereits darin, um
wessen
Demokratie es dabei gehen soll. Für die Anhänger der Formel «Ein Land – eine Stimme» geht es allein um die Demokratie innerhalb der Staatenwelt. Unter der Annahme, alle Staaten seien ihrerseits Demokratien, erschöpft sich der Reformbedarf dann in Forderungen nach einer regional ausgewogeneren Zusammensetzung des Sicherheitsrats, einer Abschaffung des Vetorechts für die ständigen Mitglieder und gegebenenfalls noch einer stärkeren Kontrolle des Sicherheitsrats durch andere Organe der UNO. Betrachtet man Demokratie hingegen vom Anspruch des eigentlichen Souveräns, also des Individuums her, aus Gründen der Selbstbestimmung und Herrschaftskontrolle auch an dem Regieren in internationalen Organisationen beteiligt zu werden, dann müssen die Reformforderungen sehr viel weiter gehenund auf eine Stärkung der Einflussnahme nichtstaatlicher Akteure auf die internationalen Entscheidungsprozesse hinauslaufen. Damit stellen sich allerdings auch Fragen nach möglichen Auswahlkriterien, nach den Formen der Einbindung und nach den damit verbundenen Rechten und Pflichten.
Die Mitwirkungsmöglichkeiten für Nichtregierungsorganisationen sind in dem von Kofi Annan 2003 in Auftrag gegebenen «Cardoso
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