Die unsicherste aller Tageszeiten
unterkühlt. Die trockene Hitze brennt mir regelrecht auf der Haut und in den Augen. In meinem Kopf breitet sich beinahe augenblicklich ein glühendes Fiebergefühl aus, mir wird schwindlig, ich muss mich an einer Sessellehne festhalten, um nicht aus den Latschen zu kippen – Notrufsignale meines überstrapazierten Kreislaufs. Ziemlich laute sogar, durch die mein Verstand dennoch mit zwei Gedanken dringt, die so scharf formuliert daherkommen wie Anweisungen. Erstens: Zieh die nassen Sachen aus, du holst dir echt noch was weg! Zweitens: Nimm ein Kräuterbad. Dem Ersten stimme ich vorbehaltlos zu, denn nicht nur fühlen sich die Lagen nassen Stoffs klamm an, sondern auch so, als hätten sie sich mir wie Fesseln um den Leib gewickelt, die sich immer weiter zuziehen und mir langsam die Luft abschneiden; außerdem saue ich mit ihnen noch Klaus’ ganzes schönes Häuschen ein, und das will ich nicht. Gegen den zweiten Befehl erhebt jedoch etwas in mir Einspruch, eine niedrigere Instanz, die es dennoch schafft, sich für einen Moment Gehör zu verschaffen. Wenn dein Kreislauf so schwach ist, argumentiert diese zweite Stimme, dann solltest du vielleicht noch ein wenig warten, bevor du in eine Wanne voller heißes Wasser steigst, du könntest sonst ohnmächtig werden und ertrinken. Diese Sorge scheint mir nicht ganz unbegründet zu sein, nur hat Stimme Nummer zwei gegen die Befehlsgewalt der höheren Instanz nichts zu vermelden, und mir ist es sowieso egal. Hauptsache, das Zittern und Zähneklappern hört endlich auf. »So kann ich doch niemals einen Telefonhörer an mein Ohr halten«, rechtfertige ich mich, »geschweige denn Klaus’ Nummer wählen, wenn ich ihn gleich anrufen will.«
Ich steige so schnell wie möglich ein zweites Mal innerhalb weniger Stunden in die heiße Wanne, noch während das Wasser einläuft. Es ist heiß, als würde ich mich selbst verbrühen, um mich anschließend wie eine geschlachtete Gans zu rupfen. Aber in Ohnmacht falle ich nicht, genauso wenig wie ich mich an dem Wasser verschlucke. Stattdessen bleibe ich rund eine Stunde im Bad, bis ich das Gefühl habe, einmal gut durchgezogen zu sein, dann hieve ich mich mit letzter Kraft aus der Wanne. Mein Skelett hängt dabei so schwer in meiner Haut wie alte Knochen in einem Leichensack auf dem Weg ins Beinhaus. Ich trockne mich ab, und diesmal zittern meine Hände vor reiner Erschöpfung, nicht mehr vor Kälte. Meine Beine scheinen aus Stein zu sein, mein ganzer Körper fühlt sich bleischwer an, als reagiere etwas in ihm besonders heftig auf die Schwerkraft der Erde. Mein Kopf dagegen ist ein Hohlraum gefüllt mit warmem Gas, der nach links und nach rechts wegrollt und davonschweben würde, wäre er nicht durch den Hals an mir festgebunden. Mir flattern die Lider.
Einen Moment lang glaube ich, bereits jetzt ernsthaft krank geworden zu sein, schneller, viel schneller als gedacht. Dann erst erkenne ich die Symptome und stelle erfreut fest: Ich bin endlich müde! Wirklich und endlich und einfach nur müde!
Aber ich will doch noch Klaus anrufen, kommt es mir gleich darauf kläglich in den Sinn, doch die Befehlsstimme von vorhin ist zur Stelle und beendet den Widerstreit, noch bevor er richtig entsteht: Du gehst zu Bett.
Ich gehe ins Bett. Ich wickle mich wieder fest in die dicke Decke ein, lösche das Licht und bette mein desolates Haupt auf das Kissen. Kaum liegt es da, breitet sich auch schon das Gas darin – Faulgas, ein Zersetzungsprodukt all meiner Hoffnungen, Wünsche, Träume, Gedanken, Sorgen und Ängste, die nun von der Müdigkeit befallen sind wie von einem Pilz und zerfallen – in meinem ganzen Körper aus. Binnen Sekunden ist der ganz leicht, nichts mehr als eine bloße Hülle, die sich von ihrem Lager erhebt, kurz noch im Diesseits schwebt und – sich auflöst.
Was folgt, ist gnadenvolle Auslöschung.
Ich schlafe so plötzlich ein, dass ich mich daran beim Erwachen gar nicht mehr erinnern kann. Das findet rund sechs Stunden später statt mit ebensolcher Plötzlichkeit. Als würde in mir ein Schalter umgelegt werden, der alle Systeme wieder hochfährt. Immerhin, ich fühle mich etwas ausgeruht, doch davon einmal abgesehen tut mir jeder Muskel im Leib weh, und liege ich auf der Matratze wie ein Stück gestrandetes Holz, das nicht gerade den Eindruck erweckt, als könnte es sich von selbst bewegen. Und mein Kopf ist auch immer noch komplett leer, nicht einmal mehr Gas ist noch darin. Und weil das alles so ist und ich sowieso nicht
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