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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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fünfundzwanzigtausend bis dreißigtausend Grad Celsius und dehnt sich dabei explosionsartig aus, was den akustischen Effekt des Donners erzeugt.
    Was unmittelbar nach dem Einschlag geschah, weiß ich nicht mehr genau, denn ich wurde zur Seite geschleudert und fiel auf den Sarg meines Vaters, direkt auf das Blumengesteck aus Callas, weißen Lilien und cremefarbenen Gladiolen in seiner Mitte. Ich wollte aufstehen und aus dem Loch steigen, aber ich spürte meine Beine nicht mehr. Offenbar gaben sie nach, denn ich sank auf die Knie. Ich hörte laute Rufe und stützte mich mit den Unterarmen auf dem Grubenrand auf, um zu sehen, was vor sich ging. Mindestens zehn Personen, darunter der Pfarrer, meine Großmutter, der Mesner, ein Ministrant und meine Tanten und Onkel, saßen oder lagen auf dem Boden zwischen den Gräbern. Mein Großvater hockte neben meiner Großmutter und hielt ihren Kopf umfasst, der zweite Ministrant kümmerte sich um Hochwürden Wojcik, der kein Lebenszeichen von sich gab. Soweit ich erkennen konnte, hatte er keine Haare mehr, und ein Ärmel seines Pluviale war verbrannt.
    »Eine Riesenfaust hat mich zu Boden gestreckt!«, rief Onkel Rudolf, der mit zerrissenen Schuhen auf dem Boden saß. »Eine Riesenfaust! Und seht euch meine Schuhe an.«
    »Es ist ein Zeichen«, sagte Tante Beate, richtete sich auf und bekreuzigte sich. »Wir müssen Buße tun!«
    »Noch nach seinem Tod macht er uns Schwierigkeiten, der Nichtsnutz«, sagte mein Großvater und tätschelte die Wangen seiner Frau. »Toni, wach auf! Ich bitte dich, komm zu dir!«
    Ein Mann drängte sich durch die aufgeregten Trauergäste und kam auf uns zu.
    »Lassen Sie mich durch«, sagte er. »Bitte lassen Sie mich durch.«
    Die Stimme kam mir bekannt vor.
    »Ich sehe nichts mehr, ich bin blind, helft mir!«, schrie der Mesner.
    »Was ist denn das?«, fragte der Ministrant und zeigte den Umstehenden seinen Unterarm, auf dem sich rote, verästelte Striemchen mit tropfenförmigen Verdickungen an ihrem Ende abzeichneten.
    »Das ist die Lichtenbergsche Blitzfigur«, sagte ich und stand auf. Es ging mir besser, das Taubheitsgefühl in den Beinen hatte nachgelassen. »Typisches Merkmal. Sieht aus wie Farnkraut. Verschwindet aber bald.«
    Der Mann war bei uns angelangt.
    »Ich bin Arzt«, erklärte er. »Wer ist am schwersten verletzt?« Dann sah er mich im offenen Grab stehen.
    »Hallo Sissi!«, sagte er und grinste. »Auferstanden von den Toten?«
    Da begann es zu regnen, heftig und von einem Augenblick auf den anderen.
    So trat Stefan wieder in mein Leben.
    »Weshalb bist du an dem Tag an der Kirche vorbeigekommen?«, fragte ich ihn. »Komischer Zufall.«
    Wir saßen an einem Ecktisch in einem Restaurant in Leibnitz, drei Wochen nach der Beerdigung, und tranken ein Glas Morillon, wie der Chardonnay in dieser Region genannt wird. Ich hatte wegen eines Termins beim Notar wieder in die Südsteiermark kommen müssen, und wir hatten uns verabredet.
    »Gar nicht. Ich wohne in der Nähe. Nachdem ich die Stelle des Kinderarztes in Leibnitz übernommen hatte, haben wir uns hier ein altes Bauernhaus gekauft und es renoviert. Auch ein Weingarten gehört dazu. Du weißt ja, die Gegend hat uns immer gefallen. Das war zwei Jahre, bevor Regina – bevor sie – Hab ich dir das damals am Telefon nicht erzählt?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Jedenfalls kam ich zum Begräbnis, wenn auch mit Verspätung. Schließlich habe ich deinen Vater gekannt.«
    »So war das also. Jetzt verstehe ich.«
    »Du musst mich unbedingt besuchen und meinen Wein kosten. Ich versuche mich als Winzer, weißt du. Es macht wirklich Spaß, seinen eigenen Wein anzubauen. Bis zur Ernte dauert es nicht mehr lange.«
    Ich sah ihn an. In dem Haus, in das er mich soeben eingeladen hatte, hatte er zwei Jahre mit Regina gelebt.
    »Ach, ich weiß nicht, ich –«, setzte ich an. Er unterbrach mich.
    »Aber reden wir über dich. Wie geht es dir? Hast du noch Beschwerden?«
    »Ich fühle mich nicht schlecht, abgesehen von einem ziemlich starken Tinnitus.«
    »Kein Kribbeln mehr in den Beinen, kein Taubheitsgefühl?«
    »Doch, ab und zu, aber es wird immer schwächer.«
    »Du hast Glück gehabt.«
    »Ich weiß. Mein Vater hat mich beschützt.«
    Am Tag des Unglücks hatten wir keine Gelegenheit gehabt, uns zu unterhalten. Stefan war damit beschäftigt gewesen, erst den Pfarrer und dann meinen Onkel durch Herzdruckmassage und Beatmung zu reanimieren, und nachdem ich aus dem Grab gestiegen war, hatte

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