Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas
vergessen gehabt. Als sie von Mr. Fox und Mr. Wolf nach Croxley geführt worden war und Dinsdale, verletzt vom Pfeil eines der Jäger, in ihrer Tasche gelegen hatte, da war ihr der Bernstein in den Sinn gekommen. Ja, das Irrlicht war dazu in der Lage gewesen, vom Sonnenlicht zu zehren, das der Stein besaß. Der Bernstein heilte Dinsdale, indem er ihm neues Licht schenkte. Und Aurora hatte ihr berichtet, dass es die Steine gewesen waren, die nach dem Angriff durch den Nekir das Gift in Emilys Blut am Fließen gehindert hatte.
»Wittgenstein hat gezaubert.« So hatte es Aurora damals ausgedrückt.
Die Magie der Steine.
Hatte sie nicht gelernt, dass man diese Magie niemals unterschätzen sollte?
Dinsdale, dachte Emily, würde die Steine brauchen können.
Vielleicht.
»Wir sollten uns beeilen«, drängte der Lichtlord. »Es wird nicht lange dauern, und der Nyx wird bemerken, dass wir nicht mehr in den Höllen gefangen sind.«
Aurora trat vor und hielt ebenfalls einen Stein in der Hand. »Der Malachit. Ich habe ihn immer dabeigehabt.« Etwas beschämt fügte sie hinzu: »Als Andenken.« Malachit, der von Giften und negativen Energien befreit.
»Geben Sie mir die Steine«, forderte ich die Kinder auf und bat die anderen zurückzutreten.
Lycidas faltete die Hände.
Es sah aus, als wolle er beten.
Schloss die Augen.
Erhob das Haupt.
Schnell legte ich die Steine auf den Boden. Fühlte sie. Und hob sie hoch mit der Kraft meiner Gedanken. In elliptischen Bahnen ließ ich sie um das Irrlicht kreisen, das sich jetzt im Zentrum des Wirbels befand. Dessen Leuchten greller wurde. So grell, dass wir die Augen bereits jetzt zusammenkneifen mussten. Im Licht dieser Steine erschienen die Gesichter der anderen unwirklich und blass. Aurora hielt Emilys Hand, und Neil stand mit staunenden Augen neben Mièville, der Wunder kannte, weil er in der uralten Metropole aufgewachsen war. Maurice Micklewhites heller Mantel, der schmutzig war vom Dreck und vom Blut des Abgrunds, erstrahlte wie ein Heiligenschein. Dinsdale lud sich auf an den Steinen, und als es vorbei war und der Boden unter unseren Füßen erneut zu beben begonnen hatte, da flog er in die Hände des Lichtlords, die ihn schützend umfassten und festhielten.
»Der Nyx spürt, dass wir nicht mehr in unseren Höllen sind.« Neil sah sich ängstlich um.
Das Trippeln von hunderten kleiner Füße erfüllte die Korridore, die in den großen Raum führten. Füße, die winzige Krallen hatten. Frisch geschlüpfte Diener des Nyx, die von überall herkamen.
»Rattlinge!«
Der Nyx wusste, was der Lichtlord vorhatte. Er ahnte, dass das Glück Lycidas dieses Mal hold sein könnte. Weil alle ihre Höllen verlassen hatten. Weil sie sich gefunden und verbündet hatten.
Mr. Fox und Mr. Wolf, die bisher untätig im schattigen Abseits gestanden hatten, traten nun vor.
»Wir nehmen uns ihrer an«, sagte Mr. Fox.
Und Mr. Wolf knurrte: »Lasst sie nur kommen!«
Beide hatten Säbel gezückt, die Neil zuvor nur in Piratenfilmen gesehen hatte.
Als die Rattlinge in den Raum fluteten, öffnete Lycidas die Augen.
Flammen loderten darin.
Die Kraft des Irrlichts, die auch die Magie der Steine enthielt, durchdrang den Lichtlord.
Die Kinder mit den Spiegelscherbenaugen regten sich.
Zum ersten Mal, seitdem wir hier unten waren, bewegten sie ihre Köpfe. Schlurften die in Lumpen oder kaputten Schuhen steckenden Füße über den Boden. Aus all den Jahrhunderten waren sie gestohlen und hierher gebracht worden. Von Lycidas und Lilith, die ihre Unschuld für den Lebensbaum missbraucht hatten. Die das Leben all dieser Kinder in Form eines Elixiers getrunken hatten, das aus den Trauben von Pairidaezas Stock gewonnen worden war.
Es gibt keine Zufälle, dachte ich benommen.
Denn jetzt erfüllten sie ihren Zweck.
Jetzt, da die lodernden Flammen aus Lycidas’ Antlitz strömten. Als ein Licht erstrahlte, heller als tausend Sonnen. Ein Licht, das sich in den Spiegelscherbenaugen der Kinder sammelte und von ihnen reflektiert wurde. Das war es also, was der Lichtlord im Schilde geführt hatte. Ein Kinderkreuzzug hinab in die Tiefen. Denn die Spiegelscherben in den Augenhöhlen der Kinder trugen das Licht des gefallenen Engels weiter. Überall, hatte uns Lycidas gesagt, befänden sich die Kinder mit den Spiegelscherbenaugen. Der Nyx hatte sie nicht bemerkt, weil sie keine Seele mehr besaßen und außerdem nichts getan hatten. Sie hatten nur herumgestanden. Untätig. Abwartend. Ja, wartend auf diesen
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