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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Freundin neben sich wusste.
    »Sehen sie!« Ich trat hinter Emily. »Sehen Sie durch meine Augen.«
    »Und Sie …«
    »Fragen Sie nicht. Tun Sie es einfach.«
    Ein Augenblick würde genügen.
    Ich spürte, wie Emily ihr Bewusstsein mit dem meinen teilte. Dann sah sie, was ihrer Schwester Schicksal war.
    Mara befand sich in einem großen Hautsack, der aus einer der Wände vor uns herauswuchs. Braune Flüssigkeit schwappte in dem Sack, und der Körper des kleinen Mädchens schwamm darin wie in einer Fruchtblase. Mara zappelte unruhig, und ihre kleinen Hände drückten sich von innen gegen die dünne Haut, die, wie Emily voller Ekel sah, mit hauchdünnen Äderchen überzogen war. Mir schwindelte, als ich die Verzweiflung des Mädchens spürte, die Ohnmacht ob der Gewissheit, dass Mara wie die Rattlinge neu geboren werden würde und dann jemand anderes wäre. Jemand, der ein Teil des Nyx war und den die alten Geschichten Eris nannten.
    Ich bat Emily, mein Bewusstsein zu verlassen.
    »Holen Sie Mara da raus«, bat sie mich.
    »Eris ergreift schon Besitz von ihr.« Lycidas sprach sich entschieden dagegen aus, das Kind zu befreien. »Wenn wir den Nyx und Eris jetzt stören, dann wird der Kleinen das gleiche Schicksal widerfahren wie einst ihrer Mutter.«
    »Aber wir müssen etwas tun!«
    Dass Lycidas davon gewusst hatte, verwunderte Emily schon gar nicht mehr. Alle hier schienen ihre Geheimnisse zu hüten. Bis zum Letzten.
    »Ich bin der Einzige, der etwas tun kann!« Lycidas schrie es förmlich hinaus. »Und ich habe nicht mehr die Kraft dazu.« Er hatte alles versucht. War erstrahlt wie ein Stern am Firmament, und in aller Kinder Augen hatte dieses Leuchten ein Echo gefunden, bis in die hintersten Winkel des Nyx. Doch war es nur ein kurzes Aufflammen. Denn Lycidas war in der Laterne von St. Paul’s gefangen gewesen, die nur hatte leuchten können, weil der gefallene Engel Feuer geweint hatte. »Vielleicht«, pflanzte Lycidas mit nur einem einzigen Wort einen Hoffnungsschimmer in des Mädchens Herzen, »könnte dieses Irrlicht uns einen Dienst erweisen.«
    Dinsdales Farbe veränderte sich.
    Lycidas winkte ihn zu sich.
    Das Irrlicht schwebte ganz nah am Gesicht des Lichtlords, der ihm etwas in einer Sprache zuflüsterte, die niemand verstand. Es war keine alte Sprache. Es war der Dialekt, den Dinsdale zu sprechen pflegte. Eine Sprache, die man nur in Manchester verstand. Er lauschte den Worten, die Lycidas an ihn richtete.
    »Was hat er vor?«
    Dieses Kind!
    »Fragen Sie nicht.«
    Eine Ahnung beschlich mich.
    »Haben Sie noch die Steine, die Sie damals erwählt haben?« Wenn Lycidas das vorhatte, was ich vermutete, konnten die Steine hilfreich sein. Nicht für den Lichtlord selbst, sondern für das Irrlicht.
    Emily kramte in ihrer Jackentasche danach, und ich entsann mich des Tages, als ich die blaue Jacke mit dem Fellkragen bei einer mürrischen Bedienung mit hochgesteckter Frisur bei Marks & Spencer am Piccadilly für sie erstanden hatte. Hätte ich damals bereits geahnt, was mir mit diesem Kind noch alles bevorstehen würde, hätte ich Lord Brewster vermutlich gebeten, einen anderen Mentor für Emily zu suchen. Doch wie gesagt gibt es selten Zufälle. Dass ich die Bekanntschaft Emily Laings hatte machen dürfen, war also mitnichten ein Zufall gewesen.
    Und ebenso wenig war es Zufall, dass die Steine, die sie damals in King’s Moan erwählt hatte, sich noch immer in der Jackentasche befanden. Emily hatte sie die ganze Zeit über nicht mehr beachtet, obwohl sie oft, wenn sie die Hände in die Taschen steckte, danach griff und sie durch die Finger gleiten ließ. Es war eine unbewusste Geste. Die Steine waren glatt, und es tat gut, sie zu spüren. Doch niemals hatte sie einen Gedanken daran verschwendet, ob sie die Steine noch einmal brauchen würde. Jetzt, als die Steine erneut in ihrer Hand lagen, kamen all die Erinnerungen zurück, die sie bisher für bedeutungslose Schnappschüsse gehalten hatte.
    »Es gibt keine Zufälle.«
    Lycidas sah mich überrascht an, als ich ihm zunickte.
    Emily wusste, dass dies so war.
    Ihre Finger ertasteten die drei Steine. Bernstein, erinnerte sie sich, beinhaltet das Licht der Sonne. Rosenquarz schluckt die Erdstrahlen und schützt das Herz. Der schwarze Turmalin, den sie an seiner ovalen Form erkannte, bewahrt vor Orientierungslosigkeit und entgiftet den Körper.
    »Die Steine werden Ihnen treue Dienste erweisen«, erinnerte sie sich meiner Worte.
    Sie hatte all dies schlichtweg

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