Die Vampir-Flotte
Wellengang. Langsam schraubte er sich in die Höhe.
»Los, jetzt«, sagte Bill. Eine höhere Welle rollte heran und trug das Schlauchboot noch näher an die Bordwand.
Das war die Chance für Suko!
Er schnellte sich ab.
Sein Körper schien zu wachsen. Bill nickte anerkennend, denn wieder einmal sah er, welch eine Kraft doch in dem Chinesen steckte.
Suko bekam das Tau zwischen seine Finger. Sofort begann er, sich an der Bordwand hochzuhangeln. Dabei ahnten weder er noch Bill Conolly, was sich auf dem Deck abspielte.
Allerdings wurden beide davon überrascht, als das Schiff plötzlich langsamer wurde und stoppte. Auch das Motorengeräusch der Yacht war nicht mehr zu hören.
Das alles geschah zu der Zeit, als der Chinese Suko etwa die Hälfte der Strecke überwunden hatte…
***
Lange war ich nicht bewußtlos gewesen, aber die Zeit hatte gereicht, um mich an Deck zu schaffen. Als ich dort die Augen aufschlug, fuhr mir der kühle Wind ins Gesicht, und ich sah wieder gewaltige Nebelschleier über das Deck wallen.
Ich lag auf dem Rücken. Meine Hände befanden sich vor dem Körper.
Gefesselt.
Und auch das Kreuz war noch vorhanden. Es hatte sich keiner getraut, es mir abzunehmen. Wenigstens ein kleiner Hoffnungsfunke.
Zwei Vampire waren noch übriggeblieben. Die anderen hatte ich alle erledigt, aber diese beiden waren ausgerechnet die gefährlichsten von allen.
Sie schauten auf mich herab.
In ihren Augen las ich den höhnischen Triumph, es endlich geschafft zu haben. Seltsam, wie sich die Blicke der Vampire verändern konnten.
Normalerweise schauten sie stumpf und leer aus der Wäsche, doch hier nicht.
Kein Wunder, ihr Erzfeind John Sinclair befand sich in ihrer Hand. Und es sah verdammt nicht danach aus, als würde es noch eine große Chance für mich geben.
Den vertrauten Druck der Beretta spürte ich ebenso wie den der Leuchtpistole. Auch der Dolch war vorhanden. Diese Monster hatten wirklich Angst, mich zu berühren. Ich fragte mich nur, wie sie mich an Deck geschafft hatten. Darauf würde ich wohl nie eine Antwort erhalten.
Der Sarg stand bereit. Es war offen, der dunkle Deckel lag daneben und würde über mir festgeschraubt werden, wenn ich in der Totenkiste lag.
El Sargossa hielt in der rechten Hand meine Druckluftpistole. Die Mündung so gesenkt, daß sie auf meinen Kopf wies. Die Vampire wollten kein Risiko eingehen.
Gewaltsam mußte ich mich konzentrieren, denn die Schmerzen in meinem Kopf waren ein Abbild meines Zustandes. Ich hatte wirklich schwer gegen sie zu kämpfen. Der verdammte Hieb mit dem harten Gegenstand hatte mein Gehirn ganz schön durcheinandergebracht. Ich fror.
Vielleicht war es auch diese unheimliche Atmosphäre, die sich auf dem Schiff ausgebreitet hatte. Jahrhunderte hatte es in der Tiefe des Meeres gelegen, zusammen mit seiner Besatzung, diesen grauenvollen, nach Blut lechzenden Monstern. Jetzt war es wieder aufgetaucht.
Der Pesthauch der Hölle streifte über Bord, diese Galeone war ein Teufelsschiff, sie gehörte zerstört und für immer versenkt. Doch daran war im Moment nicht zu denken.
Statt dessen dachte ich an Suko und Bill. Wie mochte es den beiden ergehen? Ahnten sie vielleicht, was mir geschehen war? Oder glaubten sie daran, daß alles in Ordnung war, nachdem ich mit der Lampe ein Zeichen gegeben hatte?
Die Zeit arbeitete für mich, doch Vampiro-del-mar hatte etwas dagegen.
Ich sah ihn nicht, dafür hörte ich ihn, wie er hinter mich trat und seine Hände unter meine Achseln schob.
So hievte er mich hoch.
Ich peilte nach unten auf mein Kreuz. Mir kam der Gedanke, es einfach mit den gefesselten Händen zu packen und es zurückzuschaudern, doch der vor mir stehende El Sargossa schien meine Gedanken erraten zu haben.
Er beugte sich vor. Ich nahm den Modergeruch wahr, als er so dicht in meine Nähe kam. Er vermischte sich mit der Feuchtigkeit zu einem widerlichen Gestank.
»Nicht!« zischte der untote Piratenkapitän.
Ich ließ es bleiben. Dieser Bolzen war auf jeden Fall schneller als meine Bewegung.
Vampiro-del-mar schleifte mich auf den Sarg zu. Mit dem Rücken stieß ich gegen die Längsseite und blieb für einen Moment sitzen, bevor ich wieder hochgezogen wurde.
Dann drückte mich der Blutsauger förmlich in den Sarg hinein. Mit dem Fuß trat er nach und quetschte mich in die enge Totenkiste. Da lag ich nun.
Beide schauten mich an.
El Sargossa lachte. Seine Vampirzähne zitterten. Irgendwann würde er sie mir in den Hals schlagen, und sicherlich
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