Die verbannte Braut (German Edition)
Gatten über die blühenden Wiesen galoppieren und den Wind in meinen Haaren genießen. Ich würde frei sein, zu tun, was mir gefiel und mich nicht von einem übel gelaunten Tyrannen das Leben schwer machen lassen. Einziges Manko war, dass ich meinem Traummann noch nicht begegnet war. Wenn es ihn überhaupt gab.
"Ich habe nachgedacht", riss die Stimme meines Onkels mich plötzlich aus meinen süßen Tagträumen.
Erschrocken blickte ich auf. Onkel James hatte die Bibel beiseitegelegt und nippte an seinem Brandy. Seine stechenden, kleinen Augen waren mit einem seltsamen Ausdruck auf mich gerichtet. Ich fühlte mich wie ein Reh, das vom bösen Wolf fixiert wird. Um seinen Mund lag ein widerlicher Zug von Selbstzufriedenheit. Eine Gänsehaut kroch meine Arme hinauf und ließ mich schaudern. Ich spürte seine bösartige Aura, ein unsichtbares Wesen, das mit gefletschten Zähnen und lauernden Blicken durch den Raum schlich, bereit, mich zu packen, seine Fänge in mich zu schlagen. Mühsam unterdrückte ich den drängenden Impuls, aufzuspringen und aus dem Raum zu fliehen.
"Ich denke, du bist nicht in der Lage, dieses Haus und die Geschäfte in London zu führen. Du kannst unmöglich dein Geld selbst verwalten. Innerhalb eines Jahres wärst du bankrott und alles, was dein Vater aufgebaut hat, dahin", eröffnete Onkel James.
Ich spürte, wie trotz aller Furcht Empörung in mir hochstieg. Ich hatte viel von meinem Vater über die Geschäfte gelernt und außerdem gab es sehr fähige leitende Angestellte, die stets das volle Vertrauen meines Vaters genossen hatten. Ich brauchte meinen Onkel nicht. In drei Monaten würde ich die Zügel für mein Leben selbst in die Hand nehmen, ob es ihm nun gefiel oder nicht. Trotzdem hielt ich es für klüger, zu schweigen. Mir war bewusst, dass ich ihm nicht gewachsen war. Momentan war er mir gegenüber im Vorteil und ich hatte keine Unterstützung. Sobald ich volljährig war, würde ich mir einen Rechtsbeistand nehmen und Onkel James zum Teufel jagen.
"Was du brauchst, ist – ein Ehegemahl", verkündete er weiter. Sein Tonfall hatte etwas abstoßend Gönnerhaftes, das mich anwiderte.
Mir wurde übel. Ich versuchte, mir darüber klar zu werden, was seine Worte für mich bedeuteten. Er wollte mich scheinbar mit irgendeinem Mann verheiraten, der ihm von Nutzen war. Mein Onkel tat eindeutig nie etwas, was ihm nicht zum Vorteil gereichte. Aus der Traum von meinem Traumprinzen, der mir all meine Freiheiten lassen würde. In Gedanken sah ich mich schon an einen alten, zahnlosen Greis verschachert, der mir auf dieselbe, widerliche Art nachstellte, wie Onkel James. Das durfte nie passieren. Ich wollte mir selbst einen Mann wählen. Erst recht, wo ich so kurz vor der ersehnten Volljährigkeit stand. Mühsam schaffte ich es, meine vielschichtigen Emotionen zu beherrschen und ihm in die Augen zu blicken.
"Vielen Dank, dass Ihr so um meine Zukunft besorgt seid. Ich weiß dass zu schätzen, doch ich möchte mir selbst den richtigen Gatten auswählen, wenn die Zeit gekommen ist. Erst einmal möchte ich noch etwas meine Freiheit genießen", sagte ich. Ich hoffte, er würde das leichte Zittern in meiner Stimme nicht bemerkt haben.
Onkel James lehnte sich ein wenig vor und lächelte zynisch.
"Siehst du? Genau das meine ich! – Deine Freiheit genießen! Pah! – So redet nur ein liederliches Frauenzimmer. – Verantwortungslos, ja zügellos bist du. Du brauchst einen Mann, der dich in deine, vom Herrgott bestimmten Schranken verweist!"
"Ihr könnt mich nicht zwingen, irgendeinen Mann zu heiraten, wenn ich es nicht will!", begehrte ich auf. Jetzt war es wirklich genug der Fügsamkeit. Ich würde mich auf gar keinen Fall verheiraten lassen. Wenn ich einmal heiratete, dann einen Mann, den ich liebte und einen solchen hatte ich nun eben noch nicht gefunden.
"Das werden wir ja sehen", knurrte Onkel James und schenkte sich nach, ehe er weiter sprach: "Im Übrigen dachte ich nicht an irgendeinen Mann. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass du einen richtigen, einen erfahrenen Mann brauchst. Nicht so ein Jüngelchen, der sich von deinen hübschen blauen Augen beeindrucken lässt. Es sollte ein Mann sein, dem etwas an den Geschäften deines Vaters und an Blue Hall liegt und der den Besitz verantwortungsvoll zu leiten weiß."
"Und welcher Mann sollte das Eurer Meinung nach sein, Onkel?" Wieder kam mir der alte Greis in den Sinn. Scheinbar war ich mit meinen Gedanken der Wahrheit schon recht nahe
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