Die verbannte Braut (German Edition)
meinen Tagträumen.
Ich schüttelte trübe den Kopf. Die Minzpastetchen lagen mir schwer im Magen und ich fühlte mich elend. Ich konnte mir nicht vorstellen, auch nur einen Tag weiter so leben zu können. Ich vermisste sie so sehr. Der Schmerz zerrte an meinen Eingeweiden. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder lachen zu können.
"Nein Molly. Danke. – Ich werde ein wenig ausreiten."
"Euer Herr Onkel wird bald eintreffen. Wollt Ihr ihn nicht begrüßen?", fragte Molly besorgt.
"Ich bleibe nicht lange weg – nur ein kurzer Galopp. Ich brauche – frische Luft", krächzte ich, sprang von meinem Stuhl auf und verließ fluchtartig den Raum.
*
Ich zügelte den Lieblingshengst meines Vaters; einen schwarzen Friesen aus den Niederlanden; mit langer, wallender Mähne und einem edlen Kopf mit klugen Augen; vor dem Stallgebäude. Ich hatte mein eigenes Reitpferd, eine kastanienfarbene Stute von ausgeglichenem und freundlichem Wesen, doch ich hatte mehr Freude an dem Temperament des schwarzen Hengstes. Außerdem hatte das Tier meinem Vater gehört und ich fühlte mich ihm näher, wenn ich seinen Hengst ritt. Vater war ein ausgezeichneter Reiter gewesen und er selbst war es gewesen, der mich das Reiten gelehrt hatte. Er war ein strenger Lehrer gewesen, doch ich war eine eifrige Schülerin, stets darauf bedacht, ihn stolz zu machen.
Der schnelle Ritt hatte mir gut getan. Ich fühlte mich erhitzt und mein langes, blondes Haar war vom Wind zerzaust. Meine Frisur hatte sich bei dem halsbrecherischen Tempo vollkommen aufgelöst und ich hatte meinen Hut verloren, doch das kümmerte mich nicht, ich fühlte mich schon viel besser – lebendiger. So war es immer gewesen, wenn ich Kummer hatte. Ein scharfer Galopp klärte meine Gedanken und erfüllte mein Herz. Es war nicht, dass mein Kummer verschwunden wäre; die klaffende Wunde in meinem Herzen war noch immer da; doch hatte der Ritt dem Schmerz die Spitze genommen. Er hatte mir ein Stück Lebensfreude wieder gegeben.
Ich sprang aus dem Sattel und klopfte den mächtigen Hals des edlen Pferdes, ehe ich ihn dem herbeigeeilten Stalljungen übergab.
"Euer Onkel ist bereits eingetroffen, Herrin", berichtete der junge Knecht aufgelöst. Er schien ganz aufgeregt zu sein.
"Wann?", fragte ich mit unruhig klopfendem Herzen. Der Gedanke, nun meinem Vormund entgegen zu treten, schnürte mir die Kehle zu. Jetzt nahm mein Leben wieder eine neue Wende und ich befürchtete nichts Gutes. Ich verspürte den Drang, wieder auf den Rücken meines Pferdes zu springen und zu fliehen. Einfach immer weiter zu reiten, bis die Welt zu Ende war.
"Vor einer halben Stunde etwa", antwortete der Junge auf meine Frage.
Ich seufzte und zwang mich, dem Impuls zur Flucht nicht nachzugeben. Der schöne Rausch des schnellen Rittes war mit einem Mal verflogen. Statt dessen fühlte ich mich, als würde ich jeden Moment zusammensinken. Meine Beine fühlten sich an, als hätten sich die stützenden Knochen aufgeweicht und wären nun nicht mehr fähig, mein Körpergewicht zu tragen.
"Herrin? Alles in Ordnung?", riss mich die Stimme des Jungen aus meinen Gedanken. Er schaute mich aus großen, runden Augen besorgt an.
Ich schüttelte leicht verwirrt den Kopf.
"Danke Timo. Geb dem Guten hier eine Handvoll Hafer extra, die hat er sich redlich verdient."
"Gewiss Herrin. Ich werde ihn auch schön bürsten, bis er wieder glänzt", sagte der Knecht eifrig.
"Ja, tu das", sagte ich ein wenig abwesend. In Gedanken war ich schon wieder bei dem bevorstehenden Zusammentreffen mit meinem Onkel. Wie er wohl sein mochte. Hoffentlich kamen wir einigermaßen miteinander aus. Immerhin würde er das nächste halbe Jahr hier auf Blue Hall wohnen und über mein Leben bestimmen. Ich gab mir einen Ruck und ging bangen Herzens auf das Herrenhaus zu.
*
Meine Gefühle waren gemischt, als ich das Gebäude betrat. Ich hatte ja keine Ahnung, was da auf mich zu kommen würde. Ich verwünschte die unabänderliche Tatsache, dass ich als Frau auf die Welt gekommen war. Männer hatten alle Freiheiten und wurden auch in meinem Alter viel mehr ernst genommen. Es war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!
In der Eingangshalle war es kühl und ich fröstelte. Molly kam sogleich auf mich zugeeilt. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet und sie machte einen hektischen Eindruck.
"Euer Onkel ist da. Gott steh uns bei, so ein ...", begann sie und schlug sich dann die Hand auf den Mund, als hätte sie etwas Ungehöriges sagen wollen.
Ihre
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